Mouton Rothschild 1945 und 1949 (1er Cru, Pauillac)

Feiern wir Williams 450. Geburtstag mit Vladimir Nabokov: „Licht meines Lebens, Befeurer meiner Leidenschaften. Meine Sucht, meine Seele. Die Zunge rollt schmiegsam über den Gaumen, dreimal schließen die Lippen sich kosend um Deinen Namen und rufen Dich bei drei im Explosivlaut in die Welt – Will. Jemm. Shake. S-pear.“ So ähnlich erging es mir auch bei der Verkostung unserer Weine. Der Eine (1949) betörte mich durch einen überirdischen Orchideen-Duft. Bereits Konfuzius berichtete über diese Wohltat und verwendete dafür das Schriftzeichen „lán“ (蘭), was Anmut, Reinheit, Eleganz und Schönheit bedeutet. ‚

Unsere Flasche war so großartig, dass ich Ähnliches nicht mehr erhoffe. Wie dichtet William, von Schlegel / Tieck glorreich übersetzt: „Wie Schatten flieht die Lieb’, indem man sie verfolgt. Sie folgt dem, der sie flieht, und flieht den, der ihr folgt.“ Der Andere (1945), die größte aller Weinlegenden, überschritt würdevoll den Zenit und schenkt uns, zarter als in der prallen Jugend, in zeitloser Eleganz transzendente mineralische Tiefe, verklärt durch Eukalyptus und Würze. Hier proklamiert Othello passend: „Gält es, jetzt zu sterben, jetzt wär‘ mir‘s höchste Wonne; denn ich fürchte, so volles Maß der Freude füllt mein Herz, dass nie ein andres Glück mir, diesem gleich, im Schoß der Zukunft harrt.“

Ob Gabriel García Márquez im April so leicht starb? Vor 20 Jahren sinnierte ich in Kolumbien an einigen von ihm beschriebenen Orten, etwa dort, wo der Geruch von Bittermandeln daran erinnere, dass Liebe (auch in den Zeiten der Cholera) nicht immer Erfüllung finde. Im Unterschied zu Cartagena und Barranquilla ist das fiktive Macondo („Hundert Jahre Einsamkeit“) „überall“ und das Helsingör des 20. Jahrhunderts (Ian McEwan). Fühlen wir uns daher auf Hamlets Schloss, wenn wir das Glas erheben: “My words fly up, my thoughts remain below: Words without thoughts never to heaven go.”