Mouton Rothschild 1982 (1er Cru, Paulliac)

Ich freue mich auf die Vertikalverkostung zum 30. Geburtstag des Fabel-Jahrganges im Herbst, zumal die letzte dieser Art bereits Jahre zurückliegt. Die Erinnerung an die großen 1982er-Weine beider Ufer ist lebendig in mir; die nachhaltigste ist jene an den Mouton: Ungemein rassig und jugendlich, ist er zugleich verführerischer und expressiver als alle anderen Châteaus.

Die cremig anmutende Textur schwelgt in Röstaromen, die ich noch nie so nobel erleben durfte. Das spezielle, nicht enden wollende Arabicakaffee-Aroma (Jamaica Blue Mountain!) sowie Nuancen von Zedernholz, Goudron (Holzkohle!), Beeren-Confit und exotische Anklänge (Kokos, Minze) treiben ihr Spiel mit dem machtlosen Verkoster: Du liebes Kind, komm geh‘ mit mir! Gar schöne Spiele, spiel ich mit dir. Unser Wein wird seinen legendären Vorgänger von 1945 erreichen oder gar in den Schatten stellen. Nach vielen Stunden bot ein homöopathischer Glasrest immer noch Duftexzesse. Welch Potenzial für 100 Jahre wurde hier gezaubert!?

Meine Tropfen führen den nächtlichen Reihn Und wiegen und tanzen und singen dich ein. Das Künstleretikett unseres Weines wurde Philippe de Rothschild zum damals 60. Jahr seiner Leitung des Gutes gewidmet. Der visionäre amerikanische Regisseur John Huston, selbst schon im Greisenalter, schuf ein originelles Aquarellbild, das den Vergleich mit den Etiketten von Picasso, Chagall, Dali und anderen nicht scheuen muss. Der zwischen Sonne und Traube überschwänglich auf zwei Beinen tanzende (fauneske) Widder vermittelt ebensolche laszive Leidenschaft wie der Flascheninhalt.

Den lakonischen Humphrey Bogart in Hustons Debütfilm nach Dashiell Hammets Roman „The Maltese Falcon“ vor Augen und unseren Mouton für immer am Gaumen, suchen wir eine Antwort auf die wesentliche Frage in Goethes Ballade: Siehst, Vater, du den Erlkönig nicht? Aber ja, er springt aus der Flasche dem Sonnenball entgegen!