1990: Das Weinwunder

Der Jahrgang ist global betrachtet wohl der größte des 20. Jahrhunderts.

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Weltklasseweine wurden nicht nur in Frankreich gezogen, sondern auch in Italien, Deutschland und Österreich, aber auch in Übersee (Australien, Kalifornien), wo es die im Vergleich zu Europa „aufgeholte“ Weintechnik ermöglichte, die guten Bedingungen „auf die Flasche zu bringen“. Einzig Spanien „scherte aus“ und blieb mittelmäßig. Es ist ganz selten, dass nicht nur alle großen Regionen Frankreichs (Bordeaux, Burgund, Rhône), sondern auch Loire, Elsass und Champagne gemeinsam und einhellig an der Spitze stehen (zu unterschiedlich sind üblicherweise die klimatischen Bedingungen); dass darüber hinaus fast überall auf der Welt grandiose Weine gemacht wurden, ist fast schon ein Mirakel. Dieses Weinwunder wollen wir näher beleuchten und dabei auf die klimatischen Einflüsse in den verschiedenen Regionen eingehen. Um diese „theoretischen Ausführungen“ anschaulicher zu gestalten, werden jeweils einige repräsentative und bemerkenswerte Weine beschrieben.

Bordeaux

Wie alle großen Jahrgänge war 1990 ein sehr heißes Jahr (genauer das zweitwärmste des Jahrhunderts – nur 1947 war noch heißer). Der August 1990 hatte überhaupt die höchsten der Sonnenstunden steht an der Spitze (nur überboten von 1949). Nach einem außerordentlich trockenen Sommer fiel am 15. September Regen, was die Qualität nicht mehr beeinträchtigen konnte. Am rechten Ufer wurden hauptsächlich in Saint-Émilion sehr gute Weine gemacht; groß wurden die Weine aber vor allem in der Médoc. Interessanterweise konnten dabei die „Premiers Crus“ in Pauillac nicht wirklich reüssieren (in dieser Gemeinde ist wohl Lynch-Bages der beste Wein) und werden von den Châteaus Margaux und Montrose deutlich getoppt, die wahrlich Jahrhundertweine erzeugten. Ausschlaggebend dürfte auf Margaux die Ernteentscheidung gewesen sein: Da der Cabernet noch ausreifen sollte, wurde diese sogar für zehn Tage unterbrochen und dauerte über ein Monat bis tief in den Oktober an. Auf Montrose dauerte die Ernte auch fast drei Wochen bis 3. Oktober und die milden Regenfälle taten dem Cabernet in der „Endphase“ noch sehr gut und führten zu mehr Opulenz. Trotz des Septembersturms über Pessac-Léognan ist auch Haut-Brion wirklich köstlich, wenn auch nicht ganz so überragend; überhaupt sind die Graves-Weine im Durchschnittsbereich der Medocs gleichwertig. Die „weichen“ 1990er (geringe Säure) zeigen sich schon seit 10 Jahren gut trinkbar, verlieren aber im Topsegment kaum. Ich glaube aber nicht, dass sie in der Gesamtstruktur besser werden; vielleicht werden die allerbesten Weine mit der Reife noch komplexer und differenzierter.

Burgund

pragerDie Diva Pinot noir macht es den Weinbauern schwerer als die Hauptsorten des Bordelais (Cabernet Sauvignon, Merlot, Cabernet franc). Hitze, geringer Niederschlag und viele Sonnenstunden sind im Burgund nicht genug. Wenn 1959 und 2005 die größten Jahrgänge der vergangenen 60 Jahre waren (2009 sind noch zu jung, dürften aber herankommen), dann folgen 1978 und 1990 wohl knapp auf den Fuß. Die 1990er zeigen eine dichte Farbe und sind überdurchschnittlich konzentriert. Besonders wichtig ist für einen guten Pinot die Balance zwischen Säure und Tannin. Verantwortlich dafür war 1990 ein verhältnismäßig kühles Wetter bei der Blüte, was zu kleineren Trauben mit mehr Inhaltsstoffen führt (Verhältnis Extrakt zu Saftanteil). Der Wein konnte dann in einem durchgehend heißen Sommer voll ausreifen und die Ernte begann am 20. September. Etwas schwächer sind die weißen Burgunder, die nicht ganz so groß wurden. Viele 25 Jahre alten Burgunder (wie auch die Proponenten des vergleichbaren Topjahrganges 1985) zeigen sich bei Verkostungen bereits am Zenit oder darüber. Nur dieDurchschnittstemperaturen gemäß den Zeitaufzeichnungen der Region (gemeinsam mit 1928). Auch die Anzahl strahlenden Weine (zum Beispiel Musigny Grand Cru von Comte de Vogue) haben noch erkennbares Potenzial. Interessanterweise wirken für mich oft reife Burgunder kleinerer Jahrgänge frischer (z. B. 1991).

Rhône

Auch an der nördlichen Rhône (Hermitage und Rôtie) wurden außergewöhnliche Weine gezogen, und dies trotz der extremen Trockenheit. Manche Erzeuger wie Marcel Guigal mussten bis in den Oktober warten, bis die Trauben voll ausgereift waren. Im Süden, speziell im Châteauneuf-du-Pape, kam es hingegen immer wieder zu Regenfällen, was zu üppigeren Weinen führte als weiter nördlich. Auch die großen Weine der Region zeigen sich fast ausnahmslos gänzlich reif und harren ihres Genusses. Vor allem die „Châteauneufs“ empfehle ich auszutrinken, da dort die Tertiäraromen oft schon geschmacksprägend sind.

Champagne

1990 gilt als einer der besten Jahrgänge des vergangenen Jahrhunderts für Jahrgangs-Champagner. Die Region war von Frost betroffen und die kühlen Konditionen hielten im Frühjahr an. Es kam zu einer späten Blüte. Ein heißer trockener Sommer führte zu vollreifen Trauben. Der Regen im September sorgte dann für Balance (ausreichende Säure). Der Großflaschenvorteil wirkt bei Champagner noch stärker als sonst (meines Erachtens auch wegen der „Hefeverarbeitung“ in der Flasche). Aus der Normalflasche haben selbst die besten Produkte bereits merkliche Reife-Anklänge; aber sie „sprudeln“ noch!

Toskana

castello-di-amaNach einem rasch einsetzenden Frühling kam es zu einer schnellen Blüte (innerhalb von 10 Tagen). Die Temperaturen im Sommer waren sehr warm, aber nicht zu exzessiv. Das einzige Problem, wenn man so will, war der lang anhaltende Trockenstress bis August. Der Regen Anfang September tat den Trauben gut. Das reife Traubengut im Chianti-Gebiet und in Montalcino konnte etwas früher als üblich geerntet werden. Vor allem für „Sangiovese“ war es (nach 1985) in rascher Folge ein zweiter Jahrhundert-Jahrgang. Die besten Brunelli und Chiantis haben ihren Zenit noch gar nicht erreicht. Dies ist umso beachtlicher, als Sangiovese als „rustikale“ Traubensorte gilt, deren Reifepotenzial in der Literatur oft nicht auf Augenhöhe mit Cabernet Sauvignon oder Syrah gesehen wird. Für Erzeuger mit ausreichender Kellertechnik (in den 1980er und 1990er Jahren nicht selbstverständlich und natürlich in der Minderheit) gilt dies nicht. Nicht nur die Flaschen der Toperzeuger, sondern auch jene kleinerer Güter aus den 1980er und 1990er Jahren, die immer wieder in Verkostungen auftauchen, waren zwar reif, aber nicht alt. Die kernigen, mundfüllenden Tannine halten die Weine am Leben. Bei den Kostnotizen finden Sie einen Toskana-Schwerpunkt, da hier immer wieder Weine zu vernünftigen Preisen verfügbar sind (z. B. in der Vinothek St. Stephan in 1010 Wien).

Piemont

1990 (und der Vorgänger 1989) führten zu den damals monumentalsten Nebbiolo-Weinen, die in dieser Region jemals gemacht wurden. Während 1989 einhellig als Jahrhundertjahrgang angesehen wird, ist der Jahrgang 1990 etwas differenzierter zu betrachten. Das selbst für die Region außerordentlich heiße Wetter führte zu höchster Reife und Opulenz. Trotz der konstanten Hitze bis zur frühen Ernte waren die Erträge höher als im Jahr davor. Die Abend-Temperaturen im Spätsommer und im Herbst blieben hoch, sodass im Vergleich zu 1989 eine gewisse aromatische Komplexität fehlt. Die physiologisch etwas geringere Säure macht die Weine zugänglicher, was der Lagerfähigkeit aber nicht entgegensteht (ähnlich etwa wie im Bordelais), und nach 25 Jahren oft samtig und für die Sorte geradezu weich wirkend. Gereifter Nebbiolo von Erzeugern mit guter Kellertechnik hat ein langes Leben. Dies gilt in diesem Jahr vor allem für die Traditionalisten, deren Ausbau auf kräftiges Tannin und nicht auf rasche Trinkreife abzielte (etwa Bruno Giacosa oder Giacomo Conterno). Deshalb zeigen sich bei Verkostungen auch manchmal 50 Jahre alte Nebbiolo-Weine makellos. Die 1990er sind gemeinhin reif genug, haben aber teilweise noch Potenzial.

Wachau

riesling-smaragdDer Jahrgang fiel in Österreich generell nicht schlecht aus, insbesondere auch in der Steiermark. An der Spitze stehen aber zweifellos die Weißweine aus der Wachau. Nach einem schneelosen Winter und bis zu 25 Grad im März folgte ein kühler April. Die Rebblüte war Ende Juni abgeschlossen. Vom Frühling bis Ende August war es sehr heiß und trocken. Einem kühlen September folgte ein traumhafter Oktober. Der Jahrgang brachte nicht nur ausgezeichnete Qualitäten, sondern auch sehr guten Ertrag. Die Spitzenweine zeigen sich bei unserer Verkostung nur mit homöopathischen Dosen von Botrytis, die nicht geschmacksbestimmend waren. Im Rahmen der Kostnotizen haben wir für die Wachau bei den beschriebenen Weinen einen weiteren Schwerpunkt gesetzt, zumal diese zwar mittlerweile seltenen, aber noch in manchen heimischen Kellern schlummernden Weine für unsere Leser von größerem Interesse sein dürften. Die meisten Weine sind naturgemäß am Zenit, manche Weine haben aber sogar noch Potenzial. Es bestehen jedenfalls meiner Einschätzung nach keine Schwächen in der Lagerfähigkeit im Vergleich zu anderen Regionen (Deutschland, Rhône, auch Burgund …).

Deutschland

Auch hier war der Sommer einzigartig und perfekt. Die Blüte war etwa Mitte Juni abgeschlossen (bei Temperaturen von bis zu 40 °C). Das Kaiserwetter hielt bis Ende August. Dann kam es allerdings zu heftigen Regenfällen und Botrytisbildung. Bei strenger Selektion (etwa ein Drittel Ausschuss) blieben fantastische Qualitäten, zumal das Wetter im September und Oktober konstant sehr gut war. Der Jahrgang führte zu geringen Erträgen und sehr hoher Konzentration. Es handelte sich um den damals besten Riesling-Jahrgang seit 1971 (vor allem in der Region Mosel / Saar / Ruwer). Die besten „Auslesen“, die von der Botrytis profitierten, stehen naturgemäß erst am Beginn ihrer Entwicklung und sind im Prädikatsbereich als Jahrhundertweine zu qualifizieren (z. B. Schwarzhofberger Riesling Auslese 1990 von Egon Müller, zuletzt versteigert bei Sotheby‘s 1 Lot – 5 Flaschen um USD 2.200). Ich hatte bislang selten die Gelegenheit, große trockene deutsche Rieslinge des Jahrganges 1990 zu verkosten. Hier ist jedenfalls Vorsicht geboten, wenn man den deutschen „Bloggern“ (etwa Wineterminator etc.) glauben will. Die meisten Weine werden dort als „deutlich über dem Zenit“, wenn nicht gar als fehlerhaft beschrieben. Man braucht demnach wohl Glück, um einen sehr guten deutschen Riesling im sogenannten Kabinett-Bereich (oder eine ebensolche trockene Auslese) zu erlangen. Abgesehen davon, muss man die Reifetöne (oft irrtümlich als Petrol-Ton bezeichnet) mögen, die in fast allen Weinen mehr oder weniger auftauchen.

Kalifornien

Das Jahr begann mit einem verhältnismäßig feuchten Frühling nicht so vielversprechend. Der lange warme und makellose Sommer ermöglichte es den Stöcken, dann auszureifen und führte zu einem perfekten Traubenmaterial und einer guten Balance zwischen Zucker und Säure. Der milde Herbst gestattete eine problemlose Ernte. Die Erntemenge war geringer als üblich, die Qualität außergewöhnlich. Diese Beschreibung bezieht sich auf Napa Valley und Sonoma. Es würde den Rahmen sprengen, sämtliche Regionen Kaliforniens zu beschreiben. Von mir verkostete Cabernets aus Kalifornien in der Altersspanne von 20 bis 30 Jahren zeigten sich zwar reif, hatten aber meist noch Frucht und Kraft bei milder tertiärer Aromatik. Weine aus zuverlässiger Quelle (Transportwege, Lagerung) bereiten mit hoher Wahrscheinlichkeit noch Freude.

Südaustralien

Auch am anderen Ende der Welt war 1990 einer der ganz großen Jahrgänge der letzten 100 Jahre. Der feuchte Saisonbeginn schadete nicht, da ein heißer australischer Sommer folgte. Die Weine waren sowohl konzentriert als auch strukturiert. Der Erntezeitpunkt wurde verhältnismäßig spät „gewählt“. Die Tanninstruktur ist aus moderner Sicht teilweise als „extrem“ zu bezeichnen. Herausragend war vor allem Coonawarra (Cabernet Sauvignon!), danach Barossa (Syrah) und Yarra. Als „Kultwein“ des Jahrganges gilt der St. Hallett Old Block Shiraz aus Barossa. Sein legendärer Winemaker Bob McLean verstarb übrigens im April 2015. Syrah reife ja am langsamsten (auch im Vergleich zu Cabernet Sauvignon), was aber nicht bedeutet, dass er die größte Lagerfähigkeit hat. Die von mir verkosteten australischen Syrahs zeigten sich reif; die ursprünglich massiven Tannine waren zugänglich, teilweise sogar weich. Die Weine werden wohl nicht mehr besser, haben im Topsegment aber noch Kraft für einige Jahre.

Ausreißer Spanien

Warum entstanden ausgerechnet auf der iberischen Halbinsel keine ganz großen Weine? In der Rioja folgte auf den wärmsten und trockensten Winter (89/90) des Jahrhunderts Frost im März sowie Feuchtigkeit und Hagelstürme im April. Der Sommer war heiß, aber es kam immer wieder zu Hagel. 30 % der allzu frühen Ernte (ab 3. September) wurden zerstört. Nur 5 % der Weine kamen in die „Gran Reserva“, die ihren Zenit bereits erreicht oder überschritten haben. Eine witterungsbedingt frühe Ernte geht fast immer zu Lasten der Tanninreife. Der Priorat war damals nicht relevant und für Ribero del Duero sind kaum allgemein verwertbare Informationen erhältlich. Die von mir verkosteten Weine (z. B. Vega Sicilia Unico 1990, damals noch 20 % Cabernet Sauvignon neben dem Tempranillo) hatten mir zu harte (wenn man so will, nicht ganz reife) Tannine.

1990.pur

Wolfgang Kiechl hat für diesen Artikel einige aktuelle Vertikalverkostungen besucht (Veranstalter war meist Martin Buttinger / www.vin.at), aber auch privat Weine verkostet und teils Notizen der vergangenen zwei Jahre einfließen lassen. Verkostungsschwerpunkte wurden für die Wachau und für die Toskana gesetzt.

Schwerpunkt Wachau
Franz Hirtzberger

1990 Riesling Singerriedel Smaragd
Sehr elegante Nase: würzig, dahinter ein Parfumhauch nach Moschus und Kokos, Rhabarber, mit der Luft immer mehr „Maggikraut“. Salziges Terroir.

1990 Riesling Hochrain Federspiel
Würzig-balsamisch, erstaunlich dicht, fast ein bisschen vegetabil. Vollreifes Traubenmaterial.

1990 Riesling Hochrain Smaragd
Schmalzig abgründig, weniger komplex und elegant als die Vorgänger, zitroniges Säurespiel.

Franz Prager

1990 Riesling Steinriegl Federspiel
Erstaunlich verspielt und vielschichtig: Grapefruit, Kokos, Stollwerk – Karamell, frisch und extravagant.

1990 Riesling Steinriegl Smaragd
Vollmundig, vielschichtig, komplex. Würzig. Hauchvon Petrol. Schöne Exotik: Reife Ananas! Salzige, steinige Mineralität. Groß!

1990 Riesling Klaus Auslese
Völlig unverbraucht und jugendlich. Kein Botrytis- Hauch. Integrativer Bitterton (Aspirin!). Klare Struktur. Süßer Kern; in Balance. Ein seltener Genuss.

Emmerich Knoll

1990 Grüner Veltliner Schütt Smaragd
Wieder jahrgangstypische Würze, fast Riesling-Aromatik, Karamell, integrativer Bitterton.

1990 Grüner Veltliner
Loibenberg Smaragd
Was für eine „flashige“ und vielschichtige Aromatik! „Gletscherzuckerl“, Himbeer-Destillat (!), Marille, exotische Anklänge. Labende Süße (bei vielleicht 4 g Restzucker). Später Lindenblüten- Töne. Was für ein großer Wein! Der beste Wachauer, den ich je trank.

1990 Grüner Veltliner Vinothek Smaragd
Wirkt extrem extrakttief, dies sowohl in der „Süße“ als auch in der Aromatik. „Gerbstoffreich“. Vor dem Zenit. Mit dem Sauerstoff kommen exotische Töne wie Kokosflocken. Hat noch Potenzial.

Schwerpunkt Toskana

castello-di-ama-02Castello di Ama 1990 Chianti Classico Vigneto Bellavista
Einer der höchst bewerteten Chianti aller Zeiten. Hier leider ein Flaschenfehler. Dahinter ist die unverbrauchte Dichte spürbar.

1990 Chianti Classico Vigneto La Casuccia
Schöne, reife Frucht nach Pflaumen und Weichsel. Dahinter florale Wolken: Hyazinthen! Unglaublich sind die unverbrauchte Struktur und die zupackenden Tannine. Lackig und fordernd!

1990 Chianti Classico Vigneto San Lorenzo
Ganz anders als sein Vorgänger, physiologisch viel reifer. Typische Feuerstein-Mineralik. Mit der Luft immer mehr „Madeira-Süße“. Tabakig. Reife Kirschfrucht noch präsent. Ein herrlich reifer Wein.

Tenuta San Guido 1990 Sassicaia
Dieser große Wein schwelgt bereits in tertiärer Fülle. Von starken Tabak-Tönen (Sassicaia-typisch für die Reife) geprägt, erinnert er mich anden 1985er. Er ist süß, lang, hat marmeladige fordernde Tannine und ist druckvoll genug. Im Hintergrund steigt Mineralität (Feuerstein) auf. Der Wein ist bereits weit entwickelt und über dem Zenit.

antinori-solaiaAntinori 1990 Solaia
Lebendige, frische, saftige Frucht mit Cassis-Anklängen. Würzige, leicht erdige Kräuter-Würze. Fordernd und noch immer kraftvoll. Die perfekte Vermählung von CS und Sangiovese

Il Poggione 1990 Brunello di Montalcino
Rustikale Kirschfrucht. Extraktreich. Nicht elegant, aber druckvoll. Bereits tertiäre Anklänge.

Villa Cafaggio
1990 Basilica Solatìo VdT
Sangiovese unter 80 %, slawonische Eiche. Sehr erdig, griffig. Traditioneller Wein mit „Grip“ und Charakter.

Piemont

Bruno Giacosa 1990 Barbaresco Santo Stefano di Neive Riserva
Ziegelrote, burgundisch helle Farbe, leicht bräunlich unterlegt. In der Textur reif, aber nicht über dem Zenit. Wirkt sehr samtig, relativ geringe Säure. Es dominiert hier die Kakaobohne im Geschmacksspektrum, überhaupt schokoladig, unterlegt durch Rosinen. In der Nase abgründiger: Trüffel, Pilze, rustikale Mineralik, „Rost“, äußerst komplex.

Bricco Rocche Ceretto 1990 Barolo Brunate
Klassischer Barolo, mundfüllende Tannine, dicht, noch präsente Anklänge nach Kirschfrucht, leicht likörig.

Bordeaux

1990 Château Cheval Blanc
Ungemein komplex: Zedernholz, Mokka, Vanilleschoten, Kokosflocken, Exotik! Durchaus jahrgangstypisch (vom Aromenspektrum her Margaux 1990 nicht unähnlich). Geringe Säure durch Tanninstruktur kompensiert. Ausreichend druckvoll, opulent und seidig.

1990 Château Margaux
Der perfekte Margaux: Kraft und Eleganz! Explosiver Duft, wie parfümiert. Herzkirsche, Pflaume, Amber, „Kochbananen“. Brillante Fülle. Seidig eingebundene Tannine, fleischige Extraktsüße. Anklänge nach Minze. Vibrierende Kraft. Klare Süße ohne Larmoyanz. Trotz relativer Jugend perfekt und einer der größten Weine der Welt.

1990 Château Montrose
Für mich meist erkennbar infolge des herrlichen floralen Duftes nach überreifen Lilien (wie in tschechischen Kirchen). Cassis.pur! Perfekt reife Cabernet-Aromen in Vollendung. Ein makelloser Wein. Immer noch dicht genug, komplex und nicht über dem Zenit.

1990 Château Haut-Brion blanc
Als Beispiel für einen weißen Top-Bordeaux: extravagante Aromen nach Biskuit und Marzipan. Rund, samtig, cremige, Rösttöne. Abgeklärt, dabei noch knackig. Bitterer Nachhall. Austrinken!

Burgund

Comte de Vogue 1990 Musigny Grand Cru Cuvée Vieilles Vignes
Eleganz.pur. Differenzierte Kräuter-Würze, herrliche Wacholderbeere. Exotisch. Dabei auch tolle schokoladige „Süße“. Zarte kirschige Frucht. Perfekt am Punkt. Für mich der beste Burgunder des Jahrganges und einer der besten Weine, die ich je zu trinken das Vergnügen hatte.

Domaine de la Romanée-Conti 1990 Romanée St. Vivant Grand Cru
Kakaobohnen, später schokoladig. Zedernholz. Rauchig und röstig. Komplexe reife Aromen, Frucht etwas „verdeckt“. Bereits weit entwickelt.

Domaine Gros F & S 1990 Richebourg Grand Cru
Florale Anklänge, kernige, verhaltene Kirschfrucht. Vanille-tönig. Integrative Bitterstoffe. Relativ weit fortgeschritten.

Louis Jadot 1990 Les Boucherottes Premier Cru
Beispiel für weißen Burgunder: Die Weißen zeigen sich 1990 quer durch alle Lagen uneinheitlich. Generell austrinken. Sehr weich. Reichhaltige Aromen: Mokka-Röstung, pflaumige Frucht. Passable Länge.

Rhône

Jaboulet 1990 Hermitage La Chapelle
Diesmal anders als bei anderen Proben: Viel klarere, einladende Nase nach Himbeer-Essenz. Dahinter Vanille-Puder. Das Ganze unterlegt durch einerauchige Komponente (Wacholder, Kohle). Am Gaumen nicht ganz so komplex wie olfaktorisch „angekündigt“. Tannine samtig weich, tertiäre Anklänge. Frühere Probe (chargenweise Füllungen?): mineralischer Geruch, unterlegt mit Vanillezucker. Extrem spannende Balsamik! Wird mit der Luft immer bitterschokoladiger.

Domaine Jamet 1990 Côte-Rôtie
Sehr charakterstark: Exotik und Würze. Granatäpfel, Röstaromen. Küchenkräuter in sehr präziser Ausformung. Extrem expressiv, dabei sämig und elegant. Kann mit den bekannteren Topweinen mithalten!

Château de Beaucastel 1990 Châteauneuf-du-Pape Hommage à Jacques Perrin
Ein berühmter Wein, allerdings bereits weit fortgeschritten. Es dominiert zuerst die jodige Mineralik. Dahinter mürbe Frucht. Später mit der Luft reife florale Noten. Nichtsdestotrotz perfekte Harmonie und schöne Tanninstruktur.

Chapoutier 1990 Hermitage blanc Chante-Alouette
100 % Marsanne. Als Beispiel für einen mittleren weißen Rhône-Wein: Sherry-tönig, Kautschuk- Geruch, Trockenfrüchte. Von einigen Verkostern mit einem großen weißen Rioja verglichen. Leicht oxidative Anklänge; durch die Mineralität aber noch lebendig. Austrinken!

Champagne Roederer 1990 Cristal brut (Doppelmagnum – 3 Liter)
Jung und unverbraucht. Klarer strukturiert wie etwa Dom Pérignon. „Granny Smith.pur“, sogar „Kinderzuckerl“. Gediegene, präsente Perlage. Ein Hauch von Himbeere, labende Aromatik. Später Kräuter.

Moët & Chandon 1990 Cuveé Dom Pérignon brut
Reif in Farbe und Aromatik. Feines Apfel-Aroma. Bisquit-Anklänge, spürbarer weicher Holzund Röstton. Milde und dabei noch druckvoll genug.

penfolds
Barossa

Penfolds 1990 Coonawarra Cabernet-Shiraz Bin 920
Ein ganz seltener Wein, wird ca. nur alle 10 Jahre gemacht. Syrah, Cabernet Sauvignon. Sahnige Frucht nach Cassis-Heidelbeeren. Vanille (White Oak). Mineralik spürbar. Für mich etwas zu „weich“.

1990 Coonawarra Cabernet Barossa Valley Shiraz Bin 90A
Etwas pflaumiger und breiter als der Vorgänger. Wieder typischer Vanille-Ton. Dichte Opulenz, keine ganz klare Struktur.

1990 Grange Bin 95
Für mich autoritärer und vielschichtiger als die Vorgänger. Maulbeere! Schöne Exotik. Ist unverbrauchter und verhaltener, benötigt mehr Luft. Auch die Tanninreife und Dichte sagen mir hier deutlich mehr zu.