25 Jahre „Noble Pannonier“ aus Gols

Die Verkostung einer Pannobile-Vertikale von Anita und Hans Nittnaus führt durch ein Stück burgenländische Weingeschichte.

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Pannobile-Weine wachsen ausschließlich auf kartographierten Lagen der Parndorfer Platte.

Anfang der 1990er Jahre waren wohl alle heimischen Rotwein-Winzer der Meinung, dass man ohne internationale Sorten keine großen Weine machen könne. Bordeaux war das Zauberwort. So kreierte auch Hans „John“ Nittnaus 1990 eine Cuvée namens „Pannobile“, die bis 1997 Cabernet Sauvignon und bis 1999 oft auch Merlot beinhaltete.

Autochthone Größe

Bereits im Jahr 2000 entschloss sich der immer wieder visionäre Winzer Hans Nittnaus, nur noch typisch österreichische Sorten zu verwenden (seit 2006 gilt diese Selbstbeschränkung für alle Pannobile-Winzer) und blieb seither bei der Zusammensetzung aus Zweigelt und Blaufränkisch. Abgesehen von der Sortenwahl änderte sich auch der Zugang zu den Weinen. Wollte man ursprünglich möglichst stoffige und körperreiche Weine erzeugen, steht nunmehr der Anspruch auf Typizität und Eleganz im Vordergrund. Auch das „Winemaking“ wurde im Sinne dieser Philosophie geändert. Seit 2004 werden große Holzfässer verwendet, die älteren Weine reiften noch im Barrique und zeigen daher oft mehr Röstaromen auf. Auch die Maischestandzeit wurde im Laufe der Jahre zurückgefahren.

Kühle oder warme Aromatik?

Wie sehr sich der Weingeschmack in zwanzig Jahren gewandelt hat, zeigten mir die Reaktionen und Meinungsäußerungen vieler fachkundiger Mitverkoster. Besonders geschätzt wurden die burgundisch anmutenden mittelgewichtigen Jahrgänge mit präziser Frucht und kühler Aromatik. Ich vertrat hier eine etwas andere Meinung. Burgundische Eleganz suche und finde ich gerade beim Weingut Nittnaus in erster Linie am Leithaberg (Blaufränkisch Tannenberg, aber auch Leithaberg DAC Blaufränkisch). Der Pannobile repräsentiert für mich idealtypisch die eher „warme Seite“ des möglichen Aromenspektrums eines Jahrganges. Die zweigeltlastige Cuvée „verträgt“ eine gewisse Fülle und benötigt sie auch zur vollen Ausformung ihrer Möglichkeiten (breiter gefächerte Komplexität!).

Verkostung warm-kalt

In meiner Wertung liegen die warmen Jahrgänge voran, in denen großartig gearbeitet wurde und wo eine betörende saftige Frucht den Charakter des Weines prägt (2012, 2011, 2000, 1997, 1994, 1993). 2003 war mir hingegen viel zu gerbstoffreich, 1992 war leicht spröde; auch im 2009er finden sich zarte Anklänge von Trockenfrüchten. Der grandiose 2004er zeigt auf, dass ein großer Wein nicht unbedingt Hitze braucht, dann nämlich, wenn die Trauben in einem langen und schönen Herbst perfekt ausreifen können. Bei den verkosteten Weinen kühlerer Stilistik gefielen mir 2010, 2007 oder der gerade trinkfertige 2001er. Wunderbar sieht man die Enden der Parabel bei den im Verkauf befindlichen Jahrgängen 2014 (verspielt-würziger Charme) und 2015 (dicht, fruchttief, fordernd). Der extreme Jahrgang 2014 zeigte, dass die Zweigeltstöcke des Weingutes in höheren Hanglagen praktisch jedem Wetter trotzen und auch dann noch einen passablen Ertrag bringen, wenn im tiefen Tal fast alles der Selektion zum Opfer fällt.

Tradition.pur

Die Familie Nittnaus keltert seit 330 Jahren Wein und wird es hoffentlich noch lange tun; die Kinder sind jedenfalls bereits mit unterschiedlichen Zugängen in den Betrieb bzw. das Thema „Weinbau“ eingebunden. Das Gut kreiert – im Qualitätssegment biologisch und biodynamisch – ungekünstelte und authentische Vertreter ihres Jahrganges, die jeweils zu den Besten des Landes zählen. Die Flaschen benötigen natürlich ihre Zeit, um trinkfertig höchsten Genuss zu bieten; bei Pannobile-Weinen sind das mindestens 8 bis 10 Jahre. Den Zenit erreichen große Jahrgänge wohl frühestens nach 15 Jahren. So waren 1993 und 1994 gerade ein Hochgenuss; 1997 und 2000 haben gar noch Luft nach oben. Es sollte uns stolz machen, dass typisch österreichische Sorten so einzigartig sind und den Vergleich mit Weinen führender Regionen nicht (mehr) scheuen müssen, weder qualitativ noch vom Reifepotenzial her. Im Preis-Leistungs-Verhältnis liegen sie international ohnehin ganz vorn.

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Mit der Weinstilistik änderte sich auch die Form von der Bordeaux- zur Burgunderflasche.

Was man über „Pannobile“ wissen sollte!

Neun Winzer – eine Idee
Paul Achs (www.paul-achs.at), Judith Beck (www.weingut-beck.at), Andreas Gsellmann (www.gsellmann.at), Heike & Gernot Heinrich (www.heinrich.at), Familie Leitner (www.leitner-gols.at), Hans & Anita Nittnaus (www.nittnaus.at), Gerhard Pittnauer (www.pittnauer.com), Claus Preisinger (www.clauspreisinger.at) sowie Birgit & Helmuth Renner (www.rennerhelmuth.at) haben sich zusammengeschlossen, um unter der Bezeichnung „Pannobile“ jährlich jeweils einen Rot- und Weißwein zu keltern. Ursprünglich schlossen sich 1994 sieben Golser Winzer zusammen, 1998 stieß das Weingut Gerhard Pittnauer dazu, 2004 Claus Preisinger. Pannobile-Weine sind Gutsabfüllungen. Die Weine wachsen ausschließlich auf kartographierten Lagen an und auf den Südosthängen der Parndorfer Platte. Die zu Pannobile-Lagen erhobenen Flächen sind in einer Katasterkarte vermerkt. Die intensive Sonneneinstrahlung sorgt für reife und saftige Tannine, die leichte Abkühlung in der Nacht fördert die Ausbildung einer kühlen Frucht in den Weinen und die notwendige Säure. Die warmen Winde vom Neusiedler See und die kühleren Winde der Parndorfer Platte vermischen sich; dieses Phänomen ergibt eine spezielle Thermik, die im Sommer zur Kühlung, im Frühjahr und Herbst zur Wärmung der Weingärten führt. Die Weißweine entwickeln in diesem Klima kräftige Körper mit komplexer Aromatik. Es wundert daher nicht, dass die Sorten Weißburgunder und Chardonnay die Leitsorten im „Pannobile Weiß“ sind, zulässig sind auch noch Neuburger und Grauburgunder. Im „Pannobile Rot“ dürfen seit dem Jahrgang 2006 nur mehr die heimischen Sorten Blaufränkisch, St. Laurent und Zweigelt verwendet werden. Abgesehen davon, dass Terroir und Klima ideal für diese autochthonen Sorten sind, ist die Grundidee, eine „österreichische Cuvée“ mit Sortentypizität, im Idealfall klarer Frucht und kühler, herbaler Würze, gepaart mit mineralischen Tönen, zu erzeugen. Es obliegt den einzelnen Gütern, ob sie Cuvées oder sortenrein füllen. Namensgebend für den Pannobile war übrigens eine Cuvée von Hans Nittnaus, die schon vorher bestand und der Gruppe zur Verfügung gestellt wurde. Das Wort fasst in idealer Weise den Anspruch zusammen, den sich die neun Winzer gestellt haben: „Pannonien“ verweist auf die Herkunft, „Nobile“ betont den edlen Charakter der Gewächse. So sind Pannobile-Weine meistens von komplexer Struktur und, wie auch die Verkostung gezeigt hat, von großer Lagerfähigkeit. Die Pannobile-Weine zählen meines Erachtens zu den besten Cuvées, die aus autochthonen heimischen Sorten gekeltert sind.

Anita & Hans Nittnaus Pannobile Rot.pur

Die Verkostung fand am 30. Mai 2016 in Anwesenheit von John Nittnaus in Wien statt. Die Familie May war ein großzügiger Gastgeber. Die Qualität der Weine ist absolut beachtlich, auch bei den gereifteren Flaschen. Von 25 Proben erreichte ca. die Hälfte (12 Proben) meines Erachtens „4 Gläser“, wobei 2011 möglicherweise den Sprung zu „5 Gläser“ schaffen könnte (die Entwicklung bleibt noch abzuwarten). 2015 wird als Fassprobe noch nicht gewertet. Die Reihung der besten Fünf aus meiner Sicht: 2011, 2004, 2000, 1993, 2012. Wie sehr Pannobile ein Produkt seines Jahrganges ist, erkennt man auch an den schwächeren Ergebnissen, die sich meist noch immer im Bereich von „3 Gläser“ ansiedeln. Schwächer waren meines Erachtens nur 1998, 1995 und 1991 (ZW = Zweigelt, BF = Blaufränkisch, ME = Merlot, SL = St. Laurent, CS = Cabernet Sauvignon). Den Weinbeschreibungen sind kurze Kommentare zum jeweiligen Jahrgang vorangestellt.

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Nur eine Blindverkostung bringt unvoreingenommene Ergebnisse.

2015 Pannobile

70 % ZW, 30 % BF. „Großes Jahr. Sonne und Hitze bis in den Herbst.“ Prägnante Frucht: Himbeere, Kirsche! Gute integrierte Säure, Balance, Struktur; griffige, aber reife Tannine, noch nicht endgültig einzuordnen (Fassprobe), dürfte aber sehr gut werden.

2014 Pannobile
70 % ZW, 30 % BF. „Viel Regen ab Juni bis September. Sehr schwieriges Jahr.“ Stringent und würzig, integrative Bittertöne. Verhaltene Weichsel-Frucht, Sauerkirsche, Walderdbeere. Spürbare Röstaromatik. Für den Jahrgang gut. Leichtgewichtig.

2013 Pannobile

50 % ZW, 50 % BF. „Trocken und heiß bis in den Herbst. Späte Lese.“ Rotbeerig, burgundisch elegant, floraler Hauch, klar und ausgewogen. Kerniges Tannin, das noch der Reifung harrt.

2012 Pannobile
60 % ZW, 40 % BF. „Heiß, großes Jahr. Kraftvolle Rotweine.“ Sehr dicht verwoben und fleischig. Spürbare Mineralität. Braucht noch Zeit (wirkt derzeit sogar etwas reduktiv). Untermalte pralle Kirsch-Frucht. Samtig und mächtig.

2011 Pannobile
60 % ZW, 40 % BF. „Vielleicht der größte Rotwein-Jahrgang überhaupt hierzulande. Alles perfekt!“ Für mich der beste Wein der Serie. Flashig. Brombeere, Weichsel, florale Anklänge. Tolle Komplexität: sogar Honigwaben, Marzipan, Orangenzesten. Dabei sehr cremig und balanciert. Ein wahrlich intensiver Genuss.

2010 Pannobile
60 % ZW, 40 % BF. „Schwieriges Jahr mit extremer Selektion. Geringe Mengen.“ Gute Balance und salzige Mineralität. Röstaromen. Würze: Maggikraut. Elegant, heute etwas stringent (Weichselschale). Der „Falstaff“-Rotweinsieger zeigt sich in dieser Phase gerade verschlossen.

2009 Pannobile
60 % ZW, 40 % BF. „Herausragender Jahrgang. Feuchtwarmer Sommer, wunderschöner Herbst.“ Wieder präzise Frucht: Kirsche, Weichsel. Sehr reife Tannine, dabei fleischig und schokoladig. Cremig und samtig. Wirkt dicht verwoben. Anklänge nach Trockenfrüchten.

2008 Pannobile
60 % ZW, 40 % BF. „Regnerischer Sommer. Rettender Umschwung im August.“ Hier drängen die Röstaromen vor. Dahinter mineralische Textur. Würzig. Frucht eher undefiniert. Gutes Tanningerüst. Mit der Oxidation Orangenzesten!

2007 Pannobile
80 % ZW, 20 % BF. „Sehr heißer Juli, ausgeglichener August. Frühe Lese.“ Weichsel-Frucht, mandelig. Schöne Balance aus Säure, Mineralität und Extrakt. Tannine nicht superreif, aber sehr strukturiert. In Summe elegant und fruchtbetont.

2006 Pannobile
70 % ZW, 30 % BF. „Guter Sommer mit wenig Regen, traumhafter Herbst. Perfekte Ausreifung.“ Bietet bereits guten Trinkgenuss. Zitronenblüten. Pflaumen-Anklänge. Mürbe! Guter Trinkfluss. Gefällig und saftig.

2005 Pannobile
90 % ZW, 10 % BF. „Viel Niederschlag, strenge Selektion.“ Erste Flasche fehlerhaft. Zweite Flasche: lackige Textur. Abgründige Würze: Estragon. Vogelkirsche mit integrierten Bittertönen. Für den Jahrgang beachtlich.

2004 Pannobile
90 % ZW, 10 % BF. „Ausgeglichener Sommer. Dieser glorreiche Jahrgang brauchte keine große Hitze. Immer noch unterschätzt!“ Kam im Schnitt in der Verkostung am besten an. Schöne, feine Kirsch-Frucht, dahinter floral (Kirschblüte). Flair nach Kindergeburtstag: Himbeersoda, Blutorange. Voll, dicht, aufgefächert und druckvoll. Hat noch Potenzial, ist aber „bereit“ zum vollen Genuss.

2003 Pannobile
90 % ZW, 10 % BF. „Extrem heiß und trocken über die gesamte Vegetationsperiode.“ Gerbstoffreich, etwas verwaschen. Gekochte Aromen. Dabei aber stoffig und dicht. Leicht likörig.

2002 Pannobile
80 % ZW, 20 % BF. „Zwei Wochen Regen im August. Vorher und nachher heiß. Ausreichend körperreiche Weine.“ Zedernholz! Röstaromen. Würzig. Noch sehr präsentes Tannin. Bittertöne nach Weichselschale. Vielschichtig, aber nicht allzu elegant.

2001 Pannobile
85 % ZW, 15 % BF. „Regen im Herbst. Botrytis-Problem. Extreme Selektion.“ Kühle Aromatik, Kirsche. Passable Struktur. Lebendige Säure. Durchaus eleganter Genuss.

2000 Pannobile
85 % ZW, 15 % BF. „Sehr heiß und trocken. Frühe Lese. Genau richtig viel Regen. Ganz großes Jahr.“ Vanilleschoten. Relativ mürbe und weit entwickelt. Schokoladig. Weichsel-Marmelade. Marzipan. Dicht verwoben, guter Trinkfluss. Elegante Opulenz. Feine Würze.

1999 Pannobile
50 % ZW, 20 % BF, 20 % SL, 10 % ME. „Heiß bis Juli. Dann eine kühle Regenperiode bis September. Stoffige Weine.“ Pflaumen-Frucht. Warme Aromatik. Latschenkiefer, später auch Trockenfrüchte. Sehr
engmaschig. Würze. Druckvoll, vielseitig, wenn auch nicht extrem elegant.

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Hans Nittnaus: „Niemals stehen bleiben und die Qualität steigern.“

1998 Pannobile
50 % ZW, 20 % BF, 20 % SL, 10 % ME. „Viel Regen im Sommer mit Botrytis. Extreme Selektion.“ Kirsch-Aromatik. Wirkt bereits sehr weich am Gaumen. Etwas verwaschen und sahnig. Erstaunlicherweise keine wirklich kühle Aromatik.

1997 Pannobile
35 % BF, 30 % ZW, 25 % SL, 10 % CS. „Ausgeglichener Sommer, heißer Herbst bis in den Oktober. Großer Jahrgang!“ Schwarze Johannisbeere, engmaschig. Vegetabil im besten Sinn. Marzipanig. Mandelig. Zupackendes Tannin. Autoritär. Hat wohl noch Potenzial.

1996 Pannobile
45 % BF, 40 % ZW, 10 % CS, 5 % ME. „Durchgehend viel Regen, wenig Sonnenschein. Körperarme Weine.“ Erstaunlich klar für den Jahrgang. Leichtgewichtig, aber schöne schwebende Cabernet-Aromatik. Zitronig.

1995 Pannobile
50 % BF, 20 % ZW, 20 % SL, 10 % CS. „Kühler und regnerischer Spätsommer und Herbst.“ Leichtgewichtiges Flair mit einigen interessanten Aromen: Latschenkiefer, Fichtennadeln. Schokoladiger Hauch, leichtes „Brett“.

1994 Pannobile
70 % BF, 25 % CS, 5 % ME. „Sommer schön heiß und ausgeglichen. Großes Jahr! Der zweite ‚Falstaff‘-Sieger in der Serie.“ Spannend: floral, Pfingstrose! Weichselschale, Walcholderbeere. Tannine sehr präsent, aber angenehm. Integrative Bittertöne. Später auch süßes Cassis, komplex.

1993 Pannobile
30 % SL, 30 % BF, 20 % ZW, 20 % CS. „Günstiges Wetter. Kleine, qualitätsvolle Ernte.“ Eine echte Überraschung. Schön tabakig, süßer Kern, sehr labend und süffig. Fleischig und einfach „geil“. Cassis. Später Tertiäraromen nach Schwarzkohle.

1992 Pannobile
40 % SL, 40 % BF, 20 % CS. „Extrem heißer und trockener Sommer. Hohe Zuckergrade.“ Prägnante Weichsel-Frucht. Kaum tertiäre Anklänge. Ausreichend Säure. Druckvoll, dicht, wenn auch etwas „over-extracted“.

1991 Pannobile
60 % SL, 20 % CS, 20 % BF. „Juli sommerlich, dann kühl. Die Lese dauerte bis 4. November!“ Leichtgewichtig, etwas ruppig. „Herber Charme“, aber noch präsente Frucht nach Kirsche und dabei nicht allzu grün.

1990 Pannobile
60 % SL, 30 % CS, 10 % BF. „Mengen- und qualitätsmäßig gutes Rotwein-Jahr.“ Der einzige Wein, der sich völlig „im tertiären Reich“ bewegt. Hustensaft, Thymian, Selch-Aromen. Dabei aber ein lebendiger süßer Kern, buttrig, durchaus noch spannend als „Altwein“.