Cheval Blanc – Das weiße Pferd des Henri IV.

Das Château Cheval Blanc bringt seit mehr als 150 Jahren die profundesten Weine von Saint-Émilion hervor. Am Ort des Châteaus stand, folgt man der Legende, früher ein Gasthaus, in dem König Heinrich IV. (der erste Bourbone und Hugenotte, der dann selbst zum Katholizismus konvertierte) abstieg.

Cheval BlancDer stolze Wirt nannte sein Eigentum forthin „Auberge du Cheval Blanc“. Wenn man das glauben will, wurde Heinrich IV. nicht nur bestimmend für sich wiederholende Modewellen (Halskrause, Spitzbart), sondern war sein lilienweißes Pferd, dem Banner entsprechend, auch namensgebend für einen großen, wahrhaft königlichen Wein.

Am Ort des Châteaus stand, folgt man der Legende, früher ein Gasthaus, in dem König Heinrich IV. (der erste Bourbone und Hugenotte, der dann selbst zum Katholizismus konvertierte) abstieg. Der stolze Wirt nannte sein Eigentum forthin „Auberge du Cheval Blanc“. Wenn man das glauben will, wurde Heinrich IV. nicht nur bestimmend für sich wiederholende Modewellen (Halskrause, Spitzbart), sondern war sein lilienweißes Pferd, dem Banner entsprechend, auch namensgebend für einen gro- ßen, wahrhaft königlichen Wein.

Cabernet franc.pur

Cheval Blanc 2Dem Weingut kommt mehrfach eine Sonderstellung zu: Auf knapp 40 ha werden zu 60% Cabernet-franc-Stöcke, zu einem Drittel Merlot (CS und Malbec in Spuren) ausgepflanzt. Das für Saint-Émilion untypische Terroir an der Grenze zu Pomerol entspricht weitgehend der Bodenstruktur der großen Médoc-Weine, bestehend aus einer 7m dicken Kiesschicht, die der Fluss Isle in der Günz-Eiszeit aus dem französischen Zentralmassiv herangeführt hat, und dürfte weltweit einer der besten Böden für Cabernet franc darstellen. Die „Mikroparzellen“ sind allerdings nicht einheitlich. Manchmal dominiert der Sand, dann der Kies; den Abschluss nach unten bildet „eisenhaltiger Lehm“ oder „blauer Ton“. Die Bodenstruktur teilt sich das Château übrigens mit La Tour Figeac, Figeac und La Dominique.

Die Klassifikation in St.-Émilion

Ursprünglich handelt es sich um einen Pachtgrund des benachbarten (älteren) Châteaus Figeac, das die Familie Ducass in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts kaufen konnte; aus Sicht von Figeac wohl ein bedeutender historischer Fehler, da das Zusammenspiel des Bodens, des Mikroklimas und des Cabernet franc nicht erkannt wurden. Das zu junge Produkt „Cheval Blanc“ konnte bei der Klassifikation 1855 nicht berücksichtigt werden und erlangte erst fast genau 100 Jahre später, 1954, mit der Klassifikation „Grand Cru Classé A“ die Spitze der Appellation Saint-Émilion, die nun seit der Klassifikation von 2006 (die Einstufung wird alle 10 Jahre aktualisiert) „Premier Grand Cru Classé A“ lautet. Auf das „A“ kommt es an, da sich in Saint-Émilion nur noch ein weiteres „A“ (Château Ausone, das seit 1990 einen gewaltigen Qualitätsaufschwung genommen hat), dafür weitere 11 Premiers Grands Crus Classés B, 46 Grands Crus Classés und unzählige Grands Crus tummeln. Bemerkenswert ist auch die Menge an Qualitätswein, die Cheval Blanc hervorbringt, nämlich jährlich etwa 100.000 Flaschen Erstwein und 40.000 des hervorragenden Zweitweines mit dem bescheidenen Namen „Petit Cheval“ (Probieren Sie bei Gelegenheit den 2000er!). Damit erzeugt Cheval Blanc im zersplitterten, monokulturellen Reich der Garagen-Weine (in Saint- Émilion gibt es 1.000 Weingüter auf 5.500 ha!) geradezu eine Sensationsmenge, nämlich etwa 7x mehr als Ausone oder 5x mehr als Petrus im benachbarten Pomerol.

Kellertechnik.pur

Cheval Blanc 4Die Weinstöcke haben ein Durchschnittsalter von knapp über 40 Jahren und kommen daher auch mit Trockenheit sehr gut zurecht. Bereits historisch gesehen wurde der frühe Erfolg von Cheval Blanc nach Überschwemmungen durch ein ausgeklügeltes „Drainage-System“ sichergestellt, das zur Mitte des 19. Jahrhunderts richtungweisend war. Mit den neuen, an ein galaktisches Raumschiff erinnernden Anlagen zeigen die neuen „Herren der Weine“ (LVMH – siehe Geschichtsteil), was das Maß der Kellertechnik ist. Die Vergärung erfolgt selbstverständlich in temperaturkontrollierten Stahlund Betontanks (auf Ausone etwa nach wie vor in Holztanks). Der Ausbau in ausschließlich neuen Barriques dauert verhältnismäßig kurz (18 Monate). Das Dogma des Cabernet-franc- „Überhangs“ geriet in den letzten Jahren doch etwas in Wanken: So dominiert etwa im absoluten Spitzenjahrgang 2000 Merlot.

Verkostungsfreuden.pur

Was wird Cheval Blanc alles angedichtet: Exotik, überbordende Opulenz, HaselnussGeschmack! Eine aussagekräftige Vertikalverkostung bestgepflegter Flaschen aus der Zeitspanne 1916 bis 2000 zeigt, dass all diese Prädikate nicht ausreichen, um die Extravaganz und chamäleonhafte Jahrgangsvielfalt dieses großen Weines zu beschreiben. Verallgemeinerungen werden dem grandiosen Wein ganz und gar nicht gerecht, denn kaum ein anderes Produkt ist ein vergleichbarer Spiegel des jeweiligen Jahrganges. Es gibt die schmeichelhaften, süßen Giganten von 1947, 1949 und 1959 sowie in Zukunft auch 1998, deren plakative Beschreibungen in der Weinliteratur alles sagen: likörig, opulent, ja sogar sirupig und portweinhaft. Robert Parker vergleicht den 1947er sogar mit Motoröl (was er offenkundig positiv meint).

Extravaganz und Eleganz

Cheval Blanc 1Wir finden exzeptionelle Charaktere, die mit nichts vergleichbar sind: der 1928er, bei dem man sich in den Urwald des Mesozoikums versetzt fühlt oder den ungeheuer mineralischen 1937er! Mich beeindruckten allerdings am meisten die differenzierten eleganten Weine, die eine einzigartige Vermählung von unzähligen Geschmacksaromen bieten, die aber auch in ihrer Gesamtheit als „Potpourri der Vielfalt“ nachhaltig wirken: 1929, 1961 (welch ein Wein! – vgl. Quint.essenz), 1982, 1990 (hier fand ich die vielgerühmte Exotik!) und in ferner Zukunft 2000. Sehr aussagekräftig und lehrreich für jeden Weinliebhaber ist die gleichzeitige Verkostung der Jahrgänge 1959 und 1961: Ersterer ist ein dickflüssiger, schmeichelnder, opulenter Genuss. Letzterer ist einer der differenziertesten und elegantesten Weine des Jahrhunderts. Zwischen der Qualität der Weine sollte man wohl kaum unterscheiden, nur zwischen den Vorlieben des Genießers.

Potenzial und Resümee

Außergewöhnlich waren die bei der Verkostung gebotenen Weine aus und nach Ende des Ersten Weltkrieges (1916–1919). Diese extrem seltenen Flaschen wurden vom Veranstalter bei „Christie‘s“ (Ex-Château) ersteigert. Trotz teilweise abgründiger Tertiäraromen waren die Weine intakt und boten nachhaltig unvergessliche Eindrücke. Es ist kaum vorstellbar, dass solche Weine gezogen und gekeltert wurden, während an der französischen Ostgrenze Millionen von Soldaten in Gräben kämpften und in Giftgaswolken ihr Leben ließen. Resümiert werden kann, dass Cheval Blanc am Rechten Ufer wohl der lagerungsfähigste Wein ist. Ausone ist erst in den letzten beiden Jahrzehnten wirklich in Hochform und die Pomerol-Weine (Petrus etc.) bestehen im Unterschied zu Cheval Blanc zumindest seit Beginn der 1950er Jahre zum allergrößten Teil aus Merlot. Die höhere Phenoldichte des Cabernet franc dürfte stabilisierend wirken, da man bei Pomerol-Weinen oft eine gehörige Portion Glück benötigt und reinsortige Merlot-Weine bei Verkostungen immer wieder ihren Zenit schon überschritten hatten.

Geschichte.pur

In der relativ kurzen Geschichte von Château Cheval Blanc sorgte zuerst eine Familie (Laussac-Fourcaud) über mehr als ein Jahrhundert für einzigartige Konstanz. Die heutigen Eigentümer des LVMH-Milliardenkonzerns sorgen mit beispiellosen Investitionen dafür, dass sich dies in Zukunft fortsetzen wird. Ihr deklarierter Anspruch seit 1998 ist es, möglichst elegante Weine mit „kaschmirweichen Tanninen“ zu erzeugen, also Luxus.pur auch beim Wein. 1832 kaufte die Familie Ducass den Pachtgrund im Besitz des Châteaus Figeac (Grä- fin Felicité de Carle-Trajet).

In den nächsten Jahrzehnten wurden weitere Rebflächen durch Kauf oder Heirat erworben, dabei zwei wichtige Kieshügel direkt an der Pomerolgrenze. 1871 erweiterten sich die Besitzungen der damaligen Besitzerfamilie Laussac-Fourcaud durch Zukauf auf den heutigen Kernbesitz von 37 ha. Das Schlösschen wurde 1860 erbaut. Im Jahr 1863 wurde die erste Flasche unter dem Label „Cheval Blanc“ verkauft und feierte von Anfang an große Erfolge.

Noch heute zeigt das Etikett historische Medaillen. 1893 erbte Albert LaussacFourcaud das Gut und führ t es mit wirtschaftlichem Erfolg bis in die 1930er Jahre. Durch die straffe Kontinuität im Familienbesitz konnten die Zeiten der Reblaus, der wirtschaftlichen Depression und sogar der Kriege gut überstanden werden. Während der Weltkriege wurden auf Cheval Blanc ungerührt hervorragende Weine erzeugt.

Zwei weitere Generationen führten das Gut im Familienbesitz bis 1998. Dann konnten die Eigentümer dem großen Geld (einen Scheck mit 9 Nullen in alter französischer Währung) nicht mehr widerstehen und verkauften das Weingut an eine Tochter des LVMH-Konzerns (Louis Vuitton, Moët, …), die von Bernard Arnault und Albert Frère beherrscht wird. Seither ist Generaldirektor Pierre Lurton für den Wein verantwortlich.

Gleichzeitig leitet Lurton auch Château d’Yquem. Wer heute Cheval Blanc besucht, der glaubt, ein überdimensionales UFO sei herabgeschwebt im Land der unbegrenzten Geldmöglichkeiten: Ein futuristischer, spektakulär neuer Keller mit Aussichtsplattform, der noch nicht ganz fertig ist, heißt den Weinliebhaber willkommen.