Grange 1997 Penfolds, Südaustralien

Unter den wahren „Grands Crus“ der südlichen Hemisphäre habe ich kein „Tanninmonster“, sondern einen zugänglichen, geradezu weichen Jahrgang ausgewählt. Er besticht durch Eleganz, Trinkfluss und differenzierte üppige Würze (Küchenkräuter, Minze). Die präsente Frucht (Heidelbeeren, Granatapfel) ist unterlegt mit kräftiger Tinte und einem Eisen-Hauch. Mit diesem Duft muss die Luft geschwängert gewesen sein, als die Mongolen 1258 das bis heute nicht vom Glück begünstigte Bagdad zerstörten; die Wasser des Tigris hätten sich, so dichtete auch Orhan Pamuk nach, zuerst rot von Blut und dann blau von Tinte gefärbt, als die Barbaren die Pergamente der sagenumwobenen Bibliothek in die Fluten warfen.

Nach dem Brand von Alexandria war dies wohl der bis dahin größte kulturelle Verlust, der auch die Blütezeit des Islam beendete. Die blinde Zerstörungswut aller Kriege setzte sich nahtlos fort bis zu jenem „Chlorreichen“ (Karl Kraus), dessen Beginn sich gerade zum 100. Mal jährt. Eine geistreiche Analyse der Ursachen des 1. Weltkrieges stammt vom neunzigjährigen Frederic Morton (als Fritz Mandelbaum in Wien geboren): Nicht die Herrschenden haben ihn vom Zaun gebrochen, die Untertanen wollten ihn. Der Krieg war der Ruck, durch den das Leben wieder zu leuchten begann in einer verführerisch gemeinschaftlichen, erhebenden Leidenschaft …

Das Erwachen kam dann allzu schnell. John Williams bringt es in seinem Roman „Stoner“ auf den Punkt: Ein Krieg tötet nicht nur junge Männer, er tötet etwas in einem Volk, das nie mehr wiederbelebt werden kann. Moderne Kriege, so Morton trefflich, drehen sich um Profite und nicht mehr um Grenzen. Die Folgen sind ähnlich traumatisch. Noch ist es nicht zu spät, von den Ureinwohnern unseres Weinlandes zu lernen und sich deren metaphysische „Traumzeit“ zu verinnerlichen; sonst werden weder Noah noch Zauberlehrlinge helfen. Cheers!