California Dreaming

Zwanzig Jahre erscheinen für kalifornische Cabernets Sauvignons als ideale Reifespanne. Wir nahmen Weine vom Jahrgang 1994 unter die Lupe.

Cali napa vally

Auf mehr als 200.000 Hektar Rebflä- che werden 90% (!) der amerikanischen Weine in Kalifornien erzeugt. Dabei handelt es sich beileibe nicht nur um Qualitäts-, geschweige denn um Topweine. Weite Teile des Landes sind zu heiß für hochwertige Qualität. Die bekanntesten Weine stammen von der sogenannten „North Coast“, nördlich von San Francisco, wo der Ozean seinen mäßigenden Einfluss zur Geltung bringt. Das Wasser des Pazifiks ist vergleichsweise kühl, weshalb sich in der warmen Jahreszeit entlang der Küste Nebelbänke bilden. Im Landesinneren erwärmt sich die Luft, was eine Sogwirkung zur Folge hat. Dort, wo es die Berg- und Hügelketten zulassen, können kühlere Meereswinde und Nebel ins Landesinnere gelangen. Abgesehen von der sonst noch relativ bekannten Central Coast, steigen im Land der unbegrenzten Möglichkeiten gigantische Weinbaugebiete phönixgleich in den Weinhimmel. Haben Sie schon von der Region Lodi gehört (ca. 100km östlich von Napa, quasi direkt im Südosten der Hauptstadt Sacramento)? Hier steht mit 44.440 Hektar doppelt so viel Fläche unter Wein wie in Napa. Kennen Sie Weine aus Monterey? Dies sei laut „Decanter“ die größte Weinregion, von der „noch niemand gehört habe“. Hier sind immerhin 30.000 Hektar bestockt.

Napa.pur

Cali napa vally 1Innerhalb der „North Coast“ sind die Weinbaugebiete Sonoma und Napa Valley am wichtigsten. Das Napa Valley ist zweifellos das Aushängeschild des amerikanischen Weinbaus und erzeugt den allergrößten Teil der amerikanischen Qualitätsspitze. Das Tal ist etwa 15 km lang und 20 km breit und mit über 20.000 ha sehr dicht bestockt; mengenmäßig führen Chardonnay und Cabernet (2013 waren es 8.270 ha mit ca. 60.000 Tonnen Ertrag) vor dem Aufsteiger Pinot noir mit bereits etwa 4.000ha Fläche. Das Tal ist westlich durch das „Sonoma County“ 40 km vom Pazifischen Ozean getrennt und grenzt im Süden an die „San Pablo Bay“, also jenen Meerbusen, der sich zwischen San Francisco und Berkeley ins Landesinnere vorschiebt. Auch das Napa Valley ist nicht homogen, es gibt dort mehrere Klimazonen. Offiziell gibt es in Napa folgende AVAs (American Viticultural Areas – Regionalbezeichnungen/Subzonen) von Norden nach Süden: Howell Mountain, St. Helena, Rutherford, Yountville, Stags Leap District (auf gleicher Höhe wie Yountville, nur östlich des Flusses Napa gelegen) und jüngst Coombsville.

Der Sonnenstaat

In Kalifornien werden die Klimaregionen nach sogenannten „Wärmesummen“ unterschieden. Die noch gültige Klassifizierung geht 70 Jahre auf die Önologen Maynard Amerine und Albert Winkler (University of California) zurück. Es geht, vereinfacht ausgedrückt, um die Summe der Durchschnittstemperaturen während der Wachstumsperioden der Reben zwischen dem 01. April und 31. Oktober. Addiert werden innerhalb dieses Zeitraumes jene Temperaturen, die über 10 Grad Celsius (50 Grad Fahrenheit) hinausgehen. Die beiden heißesten Regionen der Stufen IV und V finden sich vor allem im sogenannten „Central Valley“. Wie man auch vermuten würde, sind die Temperaturen im Napa Valley südlich der Stadt Napa nahe der San Pablo Bay am niedrigsten (Region II), dort fühlen sich Chardonnay und Pinot noir am wohlsten. Weiter oben im Tal ist Klima der Region III vorherrschend, wobei es stets weitere Differenzierungen und Mikroklimate gibt. Im oberen Napa Valley mit stärkerer Sonneneinstrahlung und höheren Temperaturen gedeiht Cabernet (aber auch Zinfandel) am besten.

Vielfalt.pur

Cali napa vally 2 In allen „Küsten-Countys“ sind die Böden völlig uneinheitlich; die Küsten Kaliforniens „formieren“ sich geologisch laufend (neu). In den letzten Jahrzehnten wurde erkannt, dass es nicht sinnvoll ist, den tiefgründigen fruchtbareren Böden der Talsohle den Vorzug vor den kargeren Hängen zu geben. Die Böden sind völlig unterschiedlich und können nur von Weingut zu Weingut bzw. von Lage zu Lage beschrieben werden. Meist ist der Untergrund durchlässig (gute Drainage). Obwohl die beidseitig begrenzenden Hügelketten vulkanischen Ursprungs sind, gibt es kaum Vulkanerden. Inzwischen beschreibt man über 60 Bodenarten allein im NapaGebiet. Im Napa County sind über 400 Weinbetriebe angesiedelt (vgl. die perfekte Karte auf www. napavintners.com/maps/). Sehr viele erzeugen Topweine und zählen zu „Parkers Lieblingen“ mit beinahe jährlichen „100-PunkteWeinen“. Zur Vinifizierung möchte ich im Rahmen dieses Artikels nicht viel erwähnen: Jedem Leser wird klar sein, dass gerade in Kaliforniens Topbetrieben alles „state of the art“ ist (Handlese, Kellertechnik etc.) und es nicht an Geld mangelt. Das Traubenmaterial wird unter den denkbar bestmöglichen Bedingungen geerntet und verarbeitet. Die zentrale Herausforderung im Weingarten ist natürlich die Wasserversorgung. Regenpausen von einem Jahr sind keine Seltenheit.

Neue Wege

Eines der erklärten Ziele der Spitzenerzeuger ist es, „overripeness“ zu vermeiden, was laut „Decanter“ im Jahrgang 2011 gut gelungen sei. Der Trend geht eindeutig in Richtung frühere Erntezeitpunkte. Spannend ist dabei etwa der Zugang von Philippe Bascaules, der 2011 als damals technischer Direktor von Chateau Margaux auf das Inglenook-Weingut von Francis Ford Coppola in Napa wechselte. Er steigerte umgehend den Hektarertrag von ca. 27hl/ha im regionalen Durchschnitt auf die doppelte Menge (!), auch für den Erstwein Rubicon, um die Eleganz zu Lasten der Konzentration zu verbessern. Im Gegenzug versucht er, die künstliche Bewässerung weitgehend einzudämmen. Schwieriger gestalten sich Überlegungen, die Vegetationsphase der Weinstöcke zu beeinflussen und „vorzuverlegen“, da auch in Napa Frostgefahr besteht. Die Cabernet-Reifung gestaltet sich nämlich im Oktober oft nicht allzu günstig, da die Tage schon sehr kurz sind. Will man den Kostnotizen bekannter Kritiker glauben, ist Bascaules am richtigen Weg.

Breites Spektrum

Alle von uns verkosteten Weine stammen aus dem Napa Valley, ausgenommen der „Ridge Monte Bello“ der Ridge Vineyards aus den Santa Cruz Mountains (Region „Central Coast“), knapp südlich von San Francisco. Es zeigte sich, dass die Weine keinesfalls einen Einheitsstil aufweisen, sondern eine enorme Vielfalt. Von warmer bis kühlerer Aromatik war alles vorhanden, die Bandbreite und die Vielfältigkeit sind kaum zu glauben. Es ist eindrucksvoll, dass die Mikroklimate selbst auf dem engen Raum des Napa Valley (ca. 300 km²) völlig unterschiedliche Weinstile hervorbringen. Mit wenigen Ausnahmen, bei denen die Weine rumtopfig schmecken und für mich störende Hitze-Aromen beinhalten (wie etwa Chateau Montelena Cabernet Sauvignon Estate, Beringer Cabernet Sauvignon Private Reserve), bieten die meisten Weine nach 20 Jahren Reifezeit einen großartigen Trinkgenuss und befinden sich am oder um den Zenit. Abgesehen von zwei Flaschen (Harlan Estate, Dominus) wüsste ich nicht, worauf noch zu warten wäre. Die blindverkosteten Weine korrelieren nach meiner Meinung nicht (immer) mit den meist wenige Jahre nach der Ernte vergebenen Parker-Wertungen.

Brillanz der Reife

Cali napa vally 3Am Weinmarkt sind für überschaubare Geldbeträge derzeit noch Weltklasse-Weine aus 1994 verfügbar (allen voran der erfreuliche Preis-Leistungs-Sieger Silver Oak Cellars Cabernet Sauvignon). Einer makellos frischen, teilweise sogar kühlen Aromatik erfreuen sich Dominus, Caymus, Philip Togni Cabernet Sauvignon und Opus One. Sehr kräftig, wuchtig und mit vollmundigen, warmen Aromen präsentieren sich Harlan Estate und Silver Oak, um nur die Besten zu nennen.

Bei Dunn und Montelena, die im nördlichen Napa Valley in der Nähe von Calistoga etabliert sind, ist zwar die „Hitze“ in den Weinen spürbar, aber durchaus noch integrativ. Als kleinere Qualitätsweingüter erscheinen mir in Kalifornien generell Abreu Vineyards (mit 28ha in Nappa), Dunn Vineyards (mit 14ha), Harlan Estate (mit 16 ha) oder Philip Togni (mit gar nur 10,05 ha!) empfehlenswert. Biologisch wirtschaftet etwa „Young Inglewood Vineyards“. Die amerikanischen und teilweise europä- ischen Supermärkte werden hingegen von Wein-Giganten mit häufig feststellbarer Durchschnittsqualität geflutet (Barefoot Cellars/Gallo, Sutter Home, Fred Franzia, Woodbridge by Mondavi, Kendell-Jackson, Cupcake …).

Wein-Jahrgänge in CA

Cali napa vally 4Die Initiation kalifornischer Cabernets für die große Weinwelt erfolgte mit der oft zitierten sagenhaften Blindverkostung 1976 in Paris (Weiß- und Rotweine aus Frankreich und den USA, organisiert von Steven Spurrier). Im „Judgement of Paris“ kürten 11 Juroren nicht wie erwartet einen Bordeaux zum Sieger, sondern Stag’s Leap Wine Cellars 1973. Allerdings kamen den „Helden aus der Neuen Welt“ wohl die eher schwach vertretenen Bordeaux-Jahrgänge 1970 und 1971 entgegen (Näheres unter de.wikipedia. org/wiki/Weinjury_von_Paris). 1994 ist in Kalifornien ein ausgesprochen großes Rotwein-Jahr, es zählt wohl zu den besten der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Dies spiegelt sich in unserer abwechslungsreichen, spannenden und großartigen Horizontalverkostung wider. Weitere exzellente Jahrgänge in Napa für Rotweine waren etwa 2009, 2007, 2005, 2001, 1997 oder weiter zurückliegend die magischen „4er“ 1984 und 1974. Wirklich schlechte Jahrgänge gibt es infolge der klimatischen Begünstigung kaum; in Napa gelten 2008, 2000 und 1998 als „nur gut“ im Rotwein-Bereich; was für die Cabernets gilt, kann aber den Pinots wieder zum Vorteil gereichen. Wichtig ist es, den Weinen ihre Reifezeit zu geben; das sind bei großen Weinen in Kalifornien um die 20 Jahre oder bei den allerbesten 40 Jahre; vor 10 Jahren Lagerung würde ich keinen großen Lagenwein antrinken. Ceterum censeo, vinum non delendam esse.

Kalifornien.pur

Die Verkostung wurde von Martin Buttinger (www.vin.at) veranstaltet. Für wein.pur verkostete Wolfgang Kiechl. Die Weine werden in der Reihenfolge ihrer Wertung (Qualität) – nach Meinung des Autors – abgedruckt und zwar vom besten absteigend. Die ersten drei Weine (Harlan Estate, Silver Oak, Dominus) sind nach Meinung des Autors Weltklasse (5 Gläser). Die nachfolgenden 5 Weine sind demnach im Bereich „4 Gläser“ angesiedelt. Bei 19 Proben waren 3 fehlerhaft und 2 weit über dem Zenit.

Harlan Estate Proprietary
1994 Harlan Estate
Ein 100-Parker-Punkte-Wein! Diesmal etwas verschlossener als bei einer Probe vor 2 Jahren. Sehr jung und kraftvoll. Weichseltönig, likörig, aber nicht brandig, vielfältige Aromen, etwa auch Vanille, auffallend sind die Frische durch ausreichende Säure und die immanente Mineralität (salzig!).

silver-oak-vibeyardsSilver Oak Cellars
1994 Cabernet Sauvignon Napa
Was für eine Überraschung! Komplex, elegant, vielschichtig. Entsprechend dem Namen vanilletönig (American white oak), Kokos, Gewürz-Hauch nach Zimt in Vollendung. Süßer Kern. Balanciert. Opulent im besten Sinn.

Dominus Proprietary
1994 Dominus
Makellos und frisch. Dicht, aber nicht überbordend. Feine harzige Floralität (fast ein bisschen wie ein Pomerol). 70 % Cabernet Sauvignon, der Rest sind Merlot, Cabernet franc, Petit Verdot.

Robert Mondavi
1994 Cabernet Sauvignon Reserve
Elegant, salziger, mineralischer Kern, wird dominiert durch Röstaromen (Typisch für diesen Mondavi-Wein!), wie Mokka, Zedernholz.

Abreu
1994 Cabernet Sauvignon Madrona Ranch
Sehr weiche, elegante Textur. Edel, süffig. Floral. Merlot-Würze (Harz). Hätte ich blind nach Pomerol gegeben.

Caymus
1994 Cabernet Sauvignon Special Selection
Elegant und trotzdem druckvoll. Klare, reine Struktur. Rotbeerig. Karamellig. Wirkt noch sehr jung. Hat den Zenit noch nicht erreicht. Etwas verhalten im Duft.

Philip Togni
1994 Cabernet Sauvignon
Sehr klare Struktur: Cassis, Heidelbeeren! Auch Exotik: Kokos, später Minze. Verliert dann aber leicht im Glas (Zellstoff).

Ridge Monte Bello
1994 Monte Bello
Nicht auffallend anders in der Aromatik als Napa Valley. Weichsel-Töne, Vanille, Kokos. Auch etwas abgründig integrierte Schwarzkohle, leichte Tertiär-Anklänge. Sehr opulent.

Dunn
1994 Cabernet Sauvignon Howell Mountain
Warme Aromatik. Betörend floral. Intakte Säure. Mürbe, fast etwas jodig. Relativ weit fortgeschritten.

Laurel Glen
1994 Cabernet Sauvignon
Sehr interessant „vegetabil“. Wirkt noch jung. Originell. Kernige Tannine, die sogar noch einer Reifung bedürfen.

Opus One Proprietary
1994 Opus One
Erstaunlich schlank! Dabei kernige Tanninstruktur. „Zupackend“. Braucht noch eine gewisse Zeit. Später Floralität. Durchaus im Bordeaux-Stil.

Villa Mt. Eden
1994 Cabernet Sauvignon Signature Series
Frisch, klar, relativ lang, Johannisbeere. Feine kühle Aromatik.

Geyser Peak Winery
1994 Cabernet Sauvignon Reserve
Sehr spannend balsamisch: Blut-Eisen. Tertiär-Aromen.

Jekel Sanctuary
1994 Cabernet Sauvignon
Klassischer Cabernet. Tannine sehr knackig, trotzdem weit entwickelt. Etwas spröde.

Beringer
1994 Cabernet Sauvignon Private Reserve
Wirkt physiologisch bereits sehr reif! Tabak – Kräuter. Verbrannter Toast bzw. Kohle! Sehr abgründig. Wohl keine perfekte Flasche (97 Parker-Punkte).

Chateau Montelena
1994 Cabernet Sauvignon Estate
Extrem entwickelte Flasche. Tertiäre Tabak-Töne, süßer Kern, aber bereits zu weit.

Shafer Vineyards
1994 Cabernet Sauvignon Hillside Select
Für mich fehlerhaft. Für andere Verkoster balsamisch, „Austernschale“.

Joseph Phelps Vineyards
1994 Insignia
Kork.

La Jota
1994 Cabernet Sauvignon Howell Mountain Select
Fehlerhaft.