Charles Chevallier

Seit 25 Jahren ist Charles Chevallier der Weinmacher der Domaines Barons de Rothschild (DBR) und vinifiziert vier berühmte Weine.

Eric de Rothschild ist gerne Banker : „Aber Chateau Lafite ist doch meine ganz große Leidenschaft, die ich hoffentlich nie aufgeben muss.“ Charles Chevallier ist der Mann, dem Baron Rothschild die Geschicke von Chateau Lafite (über 100 ha) anvertraut und dazu noch jene von Chateau DuhartMilon (4er Cru in Pauillac, 72 ha), Chateau l’Evangile (Pomerol, 14 ha) und Chateau Rieussec (Sauternes, 90 ha). Damit ist der 55-jährige Charles Chevallier einer der bedeutendsten Weinmacher der Welt, der abgesehen vom quantitativen Pensum, mit Lafite 1996 und 2000, sowie Rieussec 2001 echte Jahrhundertweine erzeugte.wein pur charles Chevallier 2

Micromanagement.pur

Seine Liebe zum Wein entdeckte Charles Chevallier in frühester Jugend, als er seinen Vater in dessen Weingärten in der Languedoc begleitete. Nach Abschluss des Studiums der Agrarwissenschaften in Toulouse führte ihn die erste Berufung in das Loire Tal. 1983 war Charles Chevallier zur richtigen Zeit am richtigen Ort und ergriff seine Chance: Baron Eric de Rothschild bot ihm die Leitung von Chateau Rieussec in der Sauternes an. Dort gelang ihm bei der Erzeugung des berühmten Süßweines eine fulminante Qualitätssteigerung: Ohne Mühen und Kosten zu scheuen, wurden während der Erntezeit jeden Tag die besten Beeren einzeln händisch geerntet und selektiert. Chevallier betont, dass er größten Nutzen aus den besonders schwierigen Ernten zur Hereinbringung der edelfaulen Trauben in der Sauternes gezogen und hier auch eine „persönliche Evolution“ durchgemacht habe.

Die selektive Ernte an immer wieder aufeinander folgenden Tagen habe ihn gelehrt, wie bedeutsam Zeitpunkt und Art der Ernte seien. Die Methoden konnte er dann erfolgreich auf Lafite und Duhart Milon umsetzen und die Erntetechnik wurde richtungweisend für die anderen Topchateaus des Rothschildimperiums, als Charles Chevallier 1993 zum technischen Direktor dreier weiterer Chateaux berufen wurde. Abgesehen von der Erntetechnik heißt das Geheimnis Micromanagement: Jede Miniparzelle hat ihren eigenen Charakter, abhängig von der exakten Bodenstruktur, der Sonneneinstrahlung sowie von Art und Alter der Weinstöcke.

Die separate Pflege, Ernte und Vinifikation sind äußerst arbeitsintensiv. Allein in Lafite stehen zur Ernte 350 erfahrene Helfer bereit; das sind etwa doppelt soviel wie bei vergleichbaren Chateaus. Dirigiert wird diese Truppe von Chevallier, dessen 25-jährige Erfahrung das Fundament des Managementansatzes ist. Die Arbeit verlaufe – so Chevallier – auf allen vier Gütern prinzipiell gleich. Überall gilt der differenzierte Zugang zu jedem (kleinsten) Stück Weingarten und zum jeweiligen Mikroklima. Baron de Rothschild investiert(e), gemäß seiner Philosophie, in Güter mit dem besten Terroir. Weine höchster Qualität sind ohne herausragendes Terroir ohnehin nicht möglich. Dann holen Chevallier und seine Mitarbeiter, mit Erfahrung und Know-how das Beste aus dem Boden heraus. Gute Beispiele für die erfolgreiche Umsetzung dieser Philosophie sind die schwierigen Jahrgänge 1997 und 2002 auf Lafite: „Da wir unsere Weingärten intim kennen und wenn sie möchten verstehen, konnten wir trotz widriger Bedingungen große Weine erzeugen.“ Das Qualitätsmanagement ist bei einer Produktion von mehreren Hunderttausend Flaschen auf vier Chateaus eine echte Herausforderung: „Wir scheuen weder Kosten noch Mühe, um perfekte technische Abläufe zu gewährleisten (z.B. perfekte Beschneidungen, frühes Ernten, so viele Erntetage wie erforderlich, Selektion, behutsames und hochqualitatives ‚Blending‘…)“

Tradition.pur

Charles Chevallier 1Charles Chevallier ist ein sympathischer, bescheidener und eloquenter Mann. Mehrere Stufen auf einmal nehmend, eilt er nimmermü- de durch sein Reich und strahlt dabei Freundlichkeit und stete Arbeitsfreude aus. Er nimmt sich Zeit, Chateau Lafite vorzustellen und neugierige Fragen für wein.pur zu beantworten. Herr Chevallier ist stolz, bereits ein Vierteljahrhundert auf den Gütern des Baron de Rothschild zu arbeiten. Zuletzt konnte er seine Erfahrungen auch auf Chateau Duhart-Milon einbringen und den stetigen Aufstieg dieses Gutes unter den 4er Grand Cru Classes in der Medoc miterleben.

Chevallier ist sich sicher, den richtigen Weg zu beschreiten, von dem er nicht abweichen will: „Ich bin nicht hier, um etwas zu ändern. Ich bin überzeugt, dass ich so wenig wie möglich ändern und mich weiterhin um die bestmögliche Qualität bemühen muss. Die von uns bevorzugten traditionellen Vinifikationstechniken bringen die gewünschten Resultate. Wir sind beispielsweise nicht scharf darauf, die malolaktische Gärung in den Fässern einzuführen.“ Mit Baron Eric de Rothschild verbindet Chevallier eine lange und vertrauensvolle Freundschaft.

Zur Veranschaulichung erzählt er eine Anekdote: „Im Jahr 1988 begannen wir auf Chateau Rieussec Ende September mit der Ernte, die bis Ende Oktober andauerte, um das beste Beerenmaterial hereinzuholen. Am 4.November entschied ich, mit der Ernte inne zu halten und zuzuwarten. Als Eric mich aus Asien anrief, teilte Charles Chevallier 2ich ihm meine Entscheidung mit. Er war ziemlich überrascht. Ich erinnerte ihn an seine eigene Aussage, dass die Ernte in der Sauternes immer ein Pokerspiel sei. Schließlich setzte ich die Ernte am 18.November fort. Eric erlaubte mir, meine Karten zu spielen. Und es war ein gutes Spiel: Alle spät geernteten Trauben fanden ihren Weg in einen beachtlichen Erstwein.“ Stolz zeigt er uns auch die kaum vorstellbare Familienreserve der Familie Rothschild, die bis ins 18.Jahrhundert zurückreicht und trotz regelmäßigen Konsums, bei fast allen Jahrgängen noch beachtliche Bestände aufweist. Derzeit findet Lafite vom Jahrgang 1983 am häufigsten den Weg zur Dinnertafel. Der Wein ist äußerst delikat und wahrscheinlich am Höhepunkt. Überraschenderweise pflegt der Kellermeister den gereiften Wein bereits am Morgen zu dekantieren und zu karaffieren, was den Inhalt nicht beeinträchtige, sondern optimiere.


0 Charles ChevallierChevalliers heimliche Liebe vermute ich nach der Horizontalverkostung des Jahrganges 2002 beim Süßwein. Seinen Rieussec schätzt er als universellen Speisenbegleiter, etwa auch zu Austern. Ich habe das sogleich probiert und kann der süßsalzigen (Dis)Harmonie einiges abgewinnen. Dabei erhob ich das Glas und wünschte mir, dass Charles Chevallier noch lange Zeit große Weine macht.

Chateau Lafite Rothschild

(1er Cru Paulliac)

87% Cabernet Sauvignon, 9,5% Merlot, 3,5% Cabernet Franc; 45 hl/ha, 20 Monate Barriques (100% neu), 12,66% Vol., 3,76 g Gesamtsäure/l, 23.000 Kisten; jung und verhalten. Gut strukturiert und balanciert. Trotz des Jahrganges beachtlich, reife und mundfüllende Tannine. Wird zunehmend saftiger, Preiselbeeraromen werden spürbar. Ein großer Wein, der mit der Reifung Komplexität und Eleganz verspricht.

Chateau Duhart Milon

(4me Cru Paulliac)

75% Cabernet Sauvignon, 22% Merlot, 3% Cabernet Franc; 40hl/ ha, 12 bis 14 Monate Barriques (50% neu), 12,94% Vol., 3,36 g Gesamtsäure/l, 20.000 Kisten Produktion; derzeit dominieren holzbestimmte Röst- und Vanillearomen. Die erste Fruchtphase ist vorbei. Länger lagern. Die weiche, elegante Textur verspricht Trinkfreude in 5 bis 10 Jahren.

Carruades des Lafite

(Zweitwein von Lafite)

Cabernet Sauvignon, hoher Merlotanteil von fast 50%, Spuren von Cabernet Franc und Pertit Verdot. 45 hl/ha, 18 Monate Barriques (10% neu), 12,76% Vol., 3,81 g Gesamtsäure/l, 17.000 Kisten Produktion; würzige Pflaumenaromen. Gute Holzintegration. Mittelgewichtig. Noch etwas strenge Tannine, daher weiter lagern.

Chateau Rieussec

(1er Grand Cru Classe Sauternes)

87% Semillon, 8% Sauvignon Blanc, 7% Muscadelle; 19 hl/ha, 26Monate Barriques (60% neu), 14,30% Vol., 3,85 g Gesamtsäure/l, 121 g Restzucker/l, 100.000 Flaschen; relativ dezente Botrytistöne, typische Brotanklänge, Aromen nach Zitrusfrüchten, wirkt ausgewogen zwischen öligen Noten und Säurespiel. Braucht wie jeder Sauternes Jahrzehnte zum Höhepunkt, um die überbordende Süße in Geschmacksvielfalt zu verarbeiten.

wein.pur.Tipps

Chateau Lafite Rothschild F-33250 Pauillac, Fax: +33/5 56 59 26 83, visites@lafite.com Führungen: (nur mit Reservierung) Montag bis Freitag, 14.00 und 15.30 Uhr, geschlossen von Anfang August bis Ende Oktober.

Chateau Duhart-Milon F-33250 Pauillac, Fax: +33/5 56 59 66 68, visites@lafite.com, Führungen: (nur mit Reservierung) Montag bis Freitag, 14.00 und 15.30 Uhr.

Chateau Rieussec F-33210 Fargues, Fax: +33/5 57 98 14 10, rieussec@lafite.com Führungen: (nur mit Reservierung) Montag bis Freitag, 14.00 und 15.30 Uhr, geschlossen von Anfang August bis Ende Oktober.

Chateau l‘Evangile F-33500 Pomerol, Fax: +33/5 57 55 45 56 Führungen: (nur mit Reservierung) Montag bis Freitag, 14.00 und 15.30 Uhr, geschlossen von Anfang August bis Ende Oktober.