Château Haut-Brion 1945 Graves, Pessac-Leognan – 1er Cru seit 1855

1945, das Ende des 2. Weltkrieges! Den Göttern dürstete wieder nach Wein. Also bescherten sie dem Bordelais den opulentesten Jahrgang des Jahrhunderts. Noch am 2. Mai schickten sie Frost und Schnee. Die überlebenden Trauben (20%!) erreichten nach einem heißen und trockenen Sommer jene Reife und Konzentration, aus der unsere Weinträume sind. Auf Haut-Brion wurde der Nektar zwischen 13. und 23. September gesammelt: Gerade 5.000 Kisten wurden letztlich gefüllt!

Kein 45er spiegelt das Terroir tiefer : Blut der Erde, süß und metallisch zugleich! Hinzu kommen brillante Malz- und Karamell-Aromen, eine fleischige Fruchttiefe, rauchige Aromen und signifikante saubere „Erdtöne“, all dies in engmaschiger, perfekter Balance ohne auch nur aufkeimenden Alterstöne. Die anfängliche salzige Mineralität wandelt sich im Glas zu einem   unbeschreiblichen metallischen Flash.

Ich denke an den hammerschwingenden Hephaistos des Peter Paul Rubens im Museo del Prado. Die ungemein konzentrierte Anspannung des göttlichen Schmiedes, der gerade Blitz und Donnerkeil für seinen Vater Zeus fertigt, ist mit meinem Weingenuss vergleichbar. Als Metapher gleichermaßen treffend ist der kunstvolle Halsschmuck, den Hephaistos für Harmonia fertigt.  Dieser Haut-Brion (aus einer perfekten Flasche ex Château) ist zweifellos einer der größten Weine, an denen ich mich laben durfte! Die Erinnerung ist lebendig. Ich winke den Göttern des Anatol France, die auch ihren Durst nach Blut und Tränen stillen, indem sie Doktrinären Macht zur Schreckensherrschaft verleihen: „Los doch mein Liebster, schick mich auf die Guillotine!“ … Und beim Gedanken an das Metall schmolz ihr Leib in Grauen und Wollust dahin.  Das Timbre des göttlichen Weines jagt mir immer noch Schauer über den Nacken.