Château La Mission Haut-Brion

Chateau La Mission Haut-BrionKardinal Richelieu, Minister Ludwigs XIII., den weltlichen Genüssen nicht abhold, wird im 17. Jahrhundert wie folgt zitier t: „Hätte Gott den Wein nicht gewollt, würde er auf La Mission nicht solch Großartigen entstehen lassen.“ Der beinahe göttliche „Wunderwein“ des Jahrganges 2000, der meines Erachtens überhaupt der Primus dieses außergewöhnlichen Jahrganges und einer der größten Weine des Jahrhunderts ist, bestätigt eindrucksvoll das gegenwärtige „Premier Cru“-Niveau von La Mission. Mit dem Status des ewigen Geheimtipps ist es damit endgültig vorbei.

Stadtweingut

Heute ist La Mission vollkommen in die verbaute Vorstadt von Bordeaux integriert und nur mit Ortskenntnis oder „Navi“ zu finden. Das berühmte eiserne Tor schafft eine optische Abgrenzung zur Umgebung, und eine idyllisch anmutende Kuppe (Haut-Brion bedeutet „kleiner Hügel“) erhebt sich leicht über dem Umland. Hinten führt die Trasse der Eisenbahnhauptverbindung Paris-Madrid vorbei, was gut für die Drainage sei. Die geschützte und wärmere Stadtlage erwies sich – wer kann es erklären – auch in heißen und trockenen Jahren als ganz und gar nicht nachteilig (z.B. 1989!). Auf 26 Hektar werden ca. 10 % Cabernet franc und sonst je zur Hälfte Merlot und (etwas mehr) Cabernet Sauvignon ausgepflanzt. Das Terroir besteht aus Kies auf lehmig-sandigem Untergrund. Das Durchschnittsalter der Weinstöcke ist im Vergleich zu anderen Gütern dieser Qualität mit 27 Jahren relativ gering.

Rivalität unter Nachbarn

Chateau La Mission Haut-Brion 1La Mission Haut-Brion wird nicht nur von einer zwischenzeitig sehr befahrenen Straße vom größeren Bruder Haut-Brion getrennt, sondern auch von einem wechselhaften Streit um den besseren und teureren Wein. Erst 1983 fanden die Güter unter der Domaine Clarence Dillon zusammen.

Ganz am Anfang begann die Geschichte des Châteaus als Pachtgrund des berühmteren Nachbarweingutes, bevor ihm die namensstiftenden Vinzentiner (Kongregation der Mission) nach der Schenkung durch Madame de Lestonnac im 17. Jahrhundert eine eigene Identität gaben.

Nach der nahezu unvermeidlichen Enteignung während der Französischen Revolution konnte La Mission bei der ersten Qualifizierung der Bordeaux-Weine 1855 (noch) nicht reüssieren, während Haut-Brion in den Olymp der ersten Gewächse aufstieg. Hundert Jahre später erreichte La Mission 1953/1959 in der GravesKlassifikation den unspektakulären „Cru Classe“-Status.

Kontinuität als Erfolgsrezept

Chateau La Mission Haut-Brion 2In den Wirren des 20. Jahrhunderts hatte das Château im Wesentlichen nur zwei Besitzerfamilien: Der Familie Woltron (Eigner von 1919 bis 1982) gelang es, vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg, große Weine zu erzeugen, wie etwa 1945, 1947, 1955, 1959, 1961, und selbst in den 1970er Jahren den wohl besten BordelaisWein dieses schwierigen Jahrzehnts, ohne wirklich exzellenten Jahrgang überhaupt zu erzeugen, nämlich „La Mission 1975“, der heute immer noch ein Monument ist, das sich in fernerer Zukunft für uns öffnen sollte. In den 1960er und 1970er Jahren war Bordeaux weit entfernt vom derzeitigen „Hype“ mit fabulösen Preisen, und es ging wirtschaftlich bergab. Der Familienbetrieb machte aus der Not eine Tugend und benutzte jahrelang vorwiegend gebrauchte Fässer. Diese Eigenheit hat der Langlebigkeit der Weine, allen voran 1975 oder 1982, nicht geschadet. Familienzwistigkeiten führten dann dazu, dass die französische „Mission (im)possible“ beendet wurde und die Woltrons ins Napa Valley auswanderten. Die Dillons, bereits seit 1935 Herren über Haut-Brion, ergriffen die historische Chance und kauften den nachbarschaftlichen Rivalen.

Stilwechsel

Neue Besen kehren intensiv. Jean Delmas (sen.) und seit 2003 sein Sohn Jean-Philippe Delmas waren bzw. sind nun als Betriebsleiter die Herren der Weine. Ein moderner Gärkeller (Edelstahltanks zu je 180hl) wurde 1987 geschaffen. Nach temperaturkontrollierter Vergärung (bei ca. 30 °C) erfolgt der Ausbau für bis zu 22 Monate in großteils neuem Holz (80%). Mit der „alten“ Woltron-Stilistik (typisch etwa 1955, 1978), bei der sich nach entsprechender Reife oft ein Potpourri aus Tertiäraromen nach Leder und „Hustenzuckerl“, kombiniert mit aromatischer Kräuterwürze (Thymian etc.!), bietet, dürfte es vorbei sein. In der Delmas-Ära baut man auf klare, präzise Frucht mit integrativen Röstaromen, wobei Abgründigkeit und Balsamik nicht erwünscht sind.

Irdisches Paradies

Chateau La Mission Haut-Brion 32007 wurde materialiengetreu aus dem Steingut der Brüche von Frontenac ein neuer Weinkeller samt Verkostungsraum und Abfüllzentrum errichtet, was die Eigentümer in Anspielung auf den Namen in ihrer Informationsbroschüre, nicht ganz unbescheiden, als „neue Kathedrale des Weines“ bezeichnen, „auf dass der Wein jedes Jahr einen Schimmer vom Paradies in die ganze Welt trage“. Im Jahr 1989 mit einer der frühesten Ernten des Jahrhunderts gelang auf beiden Gütern tatsächlich ein erster intensiver Gruß aus dem Garten Eden (jeweils 100/100 Parker Punkte). Die gewaltigen Weine des exorbitant heißen Jahres sind die Besten der gesamten Region. Bei einer sehr interessanten direkten Vergleichsverkostung (siehe Weinbeschreibungen) stellte sich heraus, dass die Flaschen qualitativ wohl nur Nuancen trennen, charakterlich aber Welten: Dort steht der explosive, geradezu erdrückende und leicht abgründige La Mission, dort der fulminante, elegantere Haut-Brion. Unabhängig von der Geschmacksfrage wird deutlich, dass die Eigentümer erfolgreich daran arbeiten, die Identität der beiden Terroirs nicht zu vermischen.

Luxus.pur in Weiß

Chateau La Mission Haut-Brion 4Der seltene Weißwein auf der kleinen, 2,5 ha großen „Clos Laville“ hatte jahrhundertelang ein eigenes Schicksal und wurde erst 1931 von den Woltrons erstanden. Der Name wurde 2009 von Laville Haut-Brion auf La Mission Haut-Brion (weiß) umgestellt. Fast 90% Sémillon und etwas Sauvignon blanc werden aus über 60 Jahre alten Weinstöcken gewonnen, bei 20 °C im Stahltank vergoren und bis zu 12 Monate im Barrique (50% neues Holz) ausgebaut. Das reicht gerade einmal für 9.000 sehr gefragte Flaschen. Der Preis liegt etwa für den Jahrgang 2009 bei € 650,– und damit im teuersten Weißweinsegment der Welt. Trocken ausgebauter Sémillon ist für mitteleuropäische Weinfreunde oft gewöhnungsbedürftig, hat aber in guten Jahrgängen eine cremige Textur mit besonders gut integrierten Röstaromen, Aprikosen-Anklängen und Exotik. Ein lange gereifter „Laville“ kann ein Weltklasse-Wein oder aber bereits oxidativ sein. Die Stilistik ist mit dem gleich raren Haut-Brion (weiß) nur bedingt vergleichbar, da dort der Sauvignon-Anteil mit fast 50% bedeutend hö- her ist.

Die Besitzer des Châteaus im Laufe der Geschichte

1540 Arnaut de Lestonnac

1548 Pierre de Lestonnac

1607 Olive de Lestonnac

1652 Pierre de Lestonnac

1654 Catherine de Mullet

1664 Orden der Prêtres du Clergé (ab 1682 die Priester der La Mission oder Vinzentiner)

1792 Martial-Victor Vaillant, dann Adelaïde-Marie Vaillant (seine Tochter)

1821 Célestin Chiapella

1867 Jérôme Chiapella

1876 Jérôme Chiapella gemeinschaftlich mit FrançoisFerdinand Bert und Marie-Marthe Chiapella (Schwiegersohn und Tochter)

1884 Gesellschaft Duval

1895 Léon-Ferdinand de Constans

1903 Victor Constans

1919 Frédéric Otto Woltner und Agnès Rosalie Ziegler (Gattin) 1948 Ferdinand Roger, Madeleine Augusta und Henri Edouard Woltner (ihre Kinder)

1983 Domaine Clarence Dillon S.A.

Quelle: Weingut