Château Petrus 1947 (Appellation Pomerol)

Oskar Kokoschka gilt vielen Kritikern als der bessere Maler. Der Markt und das Publikum bevorzugen Gustav Klimt. Ähnlich ist es um Château Petrus bestellt. Fabulöse Preise bedingen Mythos und Ehrfurcht. Wie bei Klimt wollen wir aber das Entscheidende nicht übersehen: Die erstaunlich zarten und nicht geschönten Gesichter finden das Herz des Betrachters, trotz oder wegen des Pathos an überbordender Ornamentik. Besinnen wir uns mit Roland Barthes auf das Wesen des Mythos: Er ist keine Idee, kein Begriff, sondern schlicht eine Aussage.

Die Wirklichkeit ist, dass auch Petrus nur Traubensaft vergärt, der in manchen Jahren zum großen Wein heranreift. Komplex und vergänglich präsentierten sich auch die beiden bestgepflegten Flaschen (ex Château und die Händlerabfüllung van der Meulen – vom Sammler umgekorkt) des Jahrganges 1947 bei der Öffnung im Wiener Palais Coburg. Sie zeigten ihre Entwicklung in goyahafter oder – bleiben wir bei unserem Bild – klimthafter Schonungslosigkeit. Während sich die Händlerfüllung im Glas großartig, aber unaufhaltsam ins tertiäre Land verabschiedete (Trüffel!), glänzte die Château-Füllung mit fleischiger, samtiger Konsistenz und labender Fruchtsüße. Die geringe Säure führte zu einem geradezu filigranen Gesamteindruck.

Im Grundton schwebte deutlich die pomeroltypische „Pflaumenwürze“ über einem Karamellbett. Einzigartig, ja revolutionär war für mich der konsequente, edle Parfum-Ton, der von Süskinds olfaktorischer Schöpfung Jean- Baptiste Grenouilles kreiert sein könnte: Wohl aus Pomeranzenblüten, Piment und etwas Unheimlichem (Patchouli auf Frauenhaar?). Wem das Flaschenglück so hold ist, erlebt Ähnliches wie der Kunstfreund im Oberen Belvedere in Wien, wenn er unter die güldene Flächenhaftigkeit der Klimt-Bilder einzutauchen vermag: zutiefst Menschliches. Wer hat sonst solch‘ geschlossene Augen gemalt, die ganz sicher nicht schlafen!? Nicht Klischees oder Jubiläen (auch wenn Gustavs 150. Geburtstag dräut) bewegen uns, son- dern Klimts Wimpern oder Parkers Tränen beim Genuss eines besonderen Petrus.