Der Heilige von Frauenkirchen

Seit 25 Jahren erzeugt Josef Umathum in Frauenkirchen östllich des Neusiedlersees seinen Kultlagenwein St. Laurent vom Stein.

umathum-st-laurentDrei Jahre nach dem Weinskandal war es eine Pionierleistung, diese als schwierig geltende Sorte als Lagenwein zu kultivieren und in teuren Barriquefässern auszubauen. Gerade einmal ca. 3.500 Flaschen Ertrag bringt sein ein Hektar großer St.-Laurent-Weingarten in Frauenkirchen. Es ist offenkundig, dass hier nicht kommerzielle Überlegungen, sondern Visionen und Leidenschaft die Motive seines Schöpfers sind.

Sankt Laurent vom Rost

Die Traubensorte wurde nicht zu Unrecht nach St. Laurentius benannt, der seinen Märtyrertod am „Rost“ erlitt. So „erträgt“ Sankt Laurent nicht nur die größte Hitze, er benötigt sie sogar, um zum besten Traubenmaterial zu gelangen. Die Namensgebung erfolgte wohl, weil die frühreife Sorte oft um den 10. August (geweiht dem Namenspatron St. Laurentius) in die letzte Reifephase eintritt. Die genetischen Wurzeln liegen noch im Dunkeln, wenn auch eine „Burgunderkreuzung“ logisch erschiene; andererseitsist das Anthocyan-Muster völlig unterschiedlich. Johann Burger beschreibt die Rebe (Catonia praecox) in seiner 1837 erschienenen Ampelographie als „frühreifen schwarzen Burgunder“. Die wichtigsten Anbaugebiete weltweit liegen in Österreich (500 ha) und Tschechien (Svatovavrinecké, 2.000 ha).

Toasting.pur

Josef Umathum erkannte, dass es eines heißen, trockenen Standortes bedürfe, um die besten Resultate zu erzielen. Er wählte eine Flur, für die ein im Barock errichteter Kreuzweg mit gemauerten („stein“igen) Stationen namensgebend war. Der kieselsteinhaltige und quarzreiche Boden stand daher von Anfang an, auch im transzendenten Wortsinn, unter einem guten Stern. Der dichtbeerige, botrytisanfällige St. Laurent wurde in Rebzeilen mit Ost-West-Ausrichtung gepflanzt, um die Durchlüftung zu verbessern. Als einziger Wein des Gutes wird er 24 Monate ausschließlich im neuen Holz ausgebaut. Der Traubensaft scheint das Holz geradezu aufzusaugen, sodass es schon nach kurzer Zeit absolut integrativ wirkt und nicht im Vordergrund ist. Im Unterschied zum Pinot noir, der zumindest hierzulande einen sanfteren Holzeinsatz benötigt, um nicht in (Mokka-)Röstaromen unterzugehen, hat dieser St. Laurent damit überhaupt kein Problem. In der gesamten Verkostung war kein einziger Wein, bei dem eine störende oder auch nur vordergründige Holz-Aromatik vorhanden war.

josef-umathumBurgundische Eleganz

Nun würde man vermuten, dass ein Wein, gereift in dieser Hitze mit solchem Toasting, ein opulentes Endprodukt ist. Weit gefehlt: Der St. Laurent vom Stein schöpft seine Qualität aus Eleganz, verspielter Leichtigkeit, Komplexität und betörenden Würzaromen. Kaum ein Jahrgang ist zu „fett“, nicht einmal die Hitzejahre 1992 und 2003. Tatsächlich wurden in diesen Jahren wohl die bislang besten Resultate erzielt. Im Unterschied zu seinen Vettern in der Thermenregion, die oft etwas „schwerfälliger“ wirken, spielt der St. Laurent vom Stein in einer burgundischen Liga. Einzig 2000 schlägt mit seinen Selch-Aromen etwas aus der Reihe; aus Sicht des Weingutes wurde hier wohl zu spät geerntet.

Großes Reifepotenzial

umathum-josefKein Einziger der bis zu 25 Jahre alten Weine hatte bei der Vertikalverkostung unangenehme Tertiäraromen. Die Besten ihrer Art zieren jede Burgunderverkostung und können dort auch mithalten, was 1995 bei einer Blindverkostung von insgesamt 8.500 Weinen in London eindrucksvoll bewiesen wurde. Bei den Burgundern (!) gewann der St. Laurent vom Stein Jahrgang 1992 vor allen französischen Hochgewächsen die „Trophy“ und somit den ersten Platz. Dies begründete für das Weingut ein internationales Renommee, das bis heute anhält. Die Auszeichnung erfolgte zu Recht: Nach 20 Jahren hat dieser Wein seinen Zenit noch nicht erreicht und zählt zweifellos zur Weltklasse. 2003 spielt in einer ähnlichen Liga, vielleicht mit weniger Eleganz, aber mit noch druckvollerer Struktur. Aber auch kühle Jahre, deren Witterung nicht begünstigt waren, wie 1988 oder 1991, führten zu phantastischen Weinen mit betörend kühler Aromatik und filigraner Würze. Die Weine sind immer noch jugendlich und intakt. Einzig 1996, dem wohl schwierigsten Jahr, konnte kein großer Wein abgerungen werden.

Spiegel des Klimas

Verdienstvollerweise verkauft Josef Umathum seine Topweine erst nach einigen Jahren (!) Flaschenreife und ist damit einsam auf weiter Flur in Österreich. Aktuell ist der Jahrgang 2007 des St. Laurent vom Stein im Verkauf und deutet an, welche Größe er in 15 Jahren haben wird. Der Heilige aus Frauenkirchen ist einer der größten Weine Österreichs und dabei in keiner Weise „konstruiert oder vereinheitlicht“, sondern ein Spiegel seiner Jahrgänge (siehe Kommentare bei den Weinen). Um seine Finessen zu erschließen, bedarf es der Aufmerksamkeit und Kontemplation. Und das ist gut so.

Weingut Umathum

Josef Umathum führt eines der renommiertesten Weingüter des Landes. An beiden Ufern des Neusiedler Sees wird eine reichhaltige Vielfalt an verschiedenen Böden bewirtschaftet. Die besten Lagen heißen Ried Hallebühl (seit mehr als 10 Jahren reinsortiger Zweigelt), Sankt Laurent vom Stein und Blaufränkisch Kirschgarten (Schieferlage in Jois). Die größten Weine sind daher jeweils sortenreine ausgebaute autochthone Sorten. Das Weingut arbeitet in überschaubarer Struktur nach biologischen Richtlinien, die sich an der Philosophie von Rudolf Steiner orientieren. Josef Umathum ist überzeugt, dass er gerade durch diese Bewirtschaftungsform Ertragssicherheit hat und reife und gesunde Weintrauben hervorbringt, die gemäß den Qualitätsansprüchen ausschließlich handverlesen
werden. Das Gut unterwirft sich der schwierigen Demeter-Zertifizierung. Auffallend ist der Glasverschluss aller Flaschen, ausgenommen der Basisweine. Die Homepage www.umathum.at ist wohl eine der besten Weingut-Websites Österreichs. Neben zahlreichen wertvollen Informationen führt Umathum auch ein Wein-Tagebuch, in dem er seine persönlichen Impressionen und Eindrücke an zahlreichen Kalendertagen wiedergibt.

umathum-weingutSt.Laurent vom Stein.pur

Josef Umathum präsentierte eine Vertikale seines Lagenkultweines „St. Laurent vom Stein“ ausschließlich aus Magnumflaschen, wobei teilweise die letzten Flaschen der „Château Reserve“ serviert wurden. Für wein.pur war Wolfgang Kiechl dabei. Der Jahrgang 2000 war nicht Teil dieser Verkostung, wurde aber von uns bei anderen Gelegenheiten mehrfach aus der Normalflasche verkostet. Diese historische Vertikal-Verkostung fand am 14. März 2013 im Restaurant „Kastner“ (www. restaurant-kastner.at – phantastische Weinkarte!) in Winklarn bei Amstetten, bei hervorragender Küche, statt. Nächtigen konnten wir in Topkomfortzimmern des angeschlossenen Straußenhofes (www.straussenhof-ebner.at). Zu Beginn der Weinbeschreibungen die Kommentare zum Jahrgang von Josef Umathum.

1988 Magnum
„Kühler, verregneter Sommer, verspäteter Lesebeginn, ein schwieriges Jahr. Besser bei den frühen Sorten wie St. Laurent.“ Kühle Aromatik, feine burgundische Würze, „fast elfenhaft“, zarte Himbeere. Keine relevanten Tertiäraromen.

1990 Magnum
„Gutes Rebenwachstum, sehr trockener Sommer, drückende Hitze, zum Teil Trockenschäden, warmer September. Gute Erntemenge.“ Vegetabile Würze. Trotz des Hitzejahres feine Eleganz. Spannende Aromen nach „Oblaten“ und Kautschuk, brombeerig. Frisch und nicht tertiär bestimmt.

1991 Magnum
„Verspätete Vegetation. Die Blüte setzte erst am 1. Juni ein. Tropisches Klima (Hitze, Regen). Enormes Rebenwachstum. Trockener August. Föhn bei der Ernte, daher oft Citrus-Töne in den Weinen.“ Ungemein vielschichtig und feingliedrig. Aromenspektrum von Pfirsich, Pflaumenschale bis zu Parfüm-Anklängen und Rauch-Noten. Flamboyanter Genuss.

1992 Magnum
„Insgesamt ein sehr trockenes Jahr, Rekordtemperaturen, Infektionsdruck von Mehltau bekämpft, Frühernte, kleine, dickschalige Beeren mit hohem Zuckerwert.“ Märchenhaft komplex! Enorme Länge, cremige Struktur. Dabei florale Dimensionen, Rote Rübe, erdige Töne, Kren, integrative Bittertöne, zarte Mokka-Röstaromen, Würze. Wie ein Weltklasse-Burgunder! Prämiert vom „International
Wine Magazine“, London, 1995: Sieger in der Burgunder-Kategorie!

1993 Magnum

„Frostschäden im Februar (Temperatursturz von 30 Grad in 3 Tagen). Warmer, freundlicher Sommer, frühe Lese. Starker Föhn lässt die Beeren schrumpfen. Geringer Ertrag!“ Wirkt milde, relativ geringe Säure. Vielschichtig und komplex: filigrane Melissen-Würze, Kleinbeerigkeit – Trockenfrüchte. Integrative Tertiäraromen nach Tabak. Am Zenit.

1996 Magnum
„Kurze Trockenperiode im Sommer. Sonst kühl. Hagel im August, Gewitterregen im September. Hohe Niederschlagsmengen, geringe Erträge.“ Vielleicht das schwierigste Jahr überhaupt: Trotzdem eine gewisse Balance, lebendige Säure. Kirschig. Harziger Charakter.

1997 Magnum
„Turbulentes Frühjahr, sonniger Mai. Danach Schlechtwettereinbruch. Feuchter Juli, dann schlagartig trocken und warm bis weit in den Oktober hinein. Kleine Beeren. Hohe Konzentration. “ Elegante Röstaromatik nach Zedernholz. Dahinter Kirsche und Melissen-Würze, Estragon, ansprechende Säure. Pfeffrig! Verspielt und elegant.

1998 Magnum
„Frühsommerliche Hitzewelle, bis zu 35 Grad. Warmer Sommer. Regenperiode beginnt Anfang September. Frühsorten können im Schönwetterfenster Ende September reif geerntet werden.“ Charakterstarke Expression im kühlen Jahr. Grüntönige, klare Thymian-Würze, Menthol, integrierte Bittertöne. Vor 2 Jahren entströmte einer noch besseren Magnumflasche ein Orchideen-Duft!

1999 Magnum
„Ideales Wachstum im Frühjahr. Nach der Trockenperiode im Juli folgt ein herbstlicher August; ein heißer September bringt gute Reife und Konzentration. Große Fruchttiefe.“ Ungemein elegant, weites Aromenspektrum: Erdbeere, Kirsche, Blutorange, Tee-Anklänge, Exotik. Physiologisch aber (leider) allzu geringe Säure für den Jahrgang.

2000 Normalflasche
„Ab Ende April sommerliche Temperaturen, Blüte so früh abgeschlossen wie noch nie in der Klima-Chronik. Abkühlung im Juli, Rekordtemperaturen im August bis 39 Grad. Frühernte ab den letzten Augusttagen. Makellose Trauben.“ Wie von einer anderen Welt: keine burgundische Farbe, sondern dunkel und opak. Selch-Aromen, dicht und buttrig. Beeindruckend, aber stilistisch aus der Reihe tanzend.

2001 Magnum
„Sehr schnelles Rebenwachstum. Blüte Ende Mai. Danach eine kühlere Periode. Trocken bis Ende Juli, dann durchgreifender Regen und kühl (feuchtester September seit 75 Jahren).“ Wieder grüne burgundische Würze, feine Geranien-Töne, frische Säure. Keine Ter tiäraromen. Reintöniger Genuss.

2003 Magnum
„Langer Winter bis in den April, dann sehr warm. Temperaturen bis 34 Grad heizen das Wachstum an. Sehr trocken, daher Pflanzenstress, die Beeren bleiben klein. Ab 13. August Hitze mit über 39 Grad. Frühe Lese ab Ende August.“ Ein gewaltiger Wein im heißen Jahr. Opulent, dabei aber nicht zu „fett“. Fruchtexpressiv. Rote Ribisel, feinblättrige Röstaromen, geradezu pfeffrige Würze, Schokolade, Trockenfrüchte (Feige!), ohne ins Rumtopfige abzugleiten. Orangenzesten. Einer meiner Lieblingsweine in der Serie!

2007 Magnum
„Früher Vegetationsverlauf ab dem sommerlichen April. Rekordverdächtig frühe Blüte. Heißer Juli. Lange Trockenperiode. Ernte ab der letzten Augustwoche vor den massiven Regenfällen im September.“ Ungemein präzise: Weichselschale, Marzipan, welch reintönige Primärfrucht! Im Hintergrund schlummert Kräuterwürze und harrt der Flaschenreife: Nelken! Dicht, aber klar. Integrierte Holz-Aromatik.