Chambolle-Musigny Les Baudes (1er Cru) 1993, Ghislaine Barthod

Jenseits großer Namen, Lagen und Dünkel bereitete mir dieser nuancenreiche, würzige, von Frauenhand gemachte Burgunder große Freude, als er nach 20 Jahren seinen Zenit erklomm. Florale Pracht von Pfingstrosen parfümierte die pralle Himbeerfrucht. Die vergleichsweise weichen Tannine und die integrierte Säure zeigten mir, dass der Zeitpunkt des Genusses optimal gewählt war. Es mag langlebigere Gewächse an der Côte-d‘Or geben, aber wenig einladendere.

Die Bedeutung des wohlklingenden Vornamens unserer Pinot-Künstlerin (Geisel) führt meine Assoziation zu den täglichen Schlagzeilen über die Wirrnisse, die wieder einmal den Orient heimsuchen. In Verblendung, das irdische Jerusalem sei dem Himmlischen gleich oder eher aus niederen irdischen Motiven, rief Papst Urban II. vor mehr als 900 Jahren zum ersten Kreuzzug auf und versprach den Teilnehmern Ablass und Seelenheil. Die „Ritter“ rasten im Juli 1099, entgegen dem 5. Gebot, wie Besessene durch Jerusalem und ermordeten ohne Unterschied alle greifbaren muslimischen Männer, Frauen und Kinder. Die Juden hatten sich in die Hauptsynagoge geflüchtet und wurden samt dem Gebäude verbrannt.

Heute agieren die sogenannten Dschihadisten des „IS“ im Morgenland wie einst die Kreuzfahrer. Im Glauben an das Kalifat auf Erden und das Heil im Jenseits, machen sie unter Berufung auf Sure 2 Vers 191 des Koran („… erschlagt sie, wo immer ihr auf sie stoßt …“) Jagd auf alle Ungläubigen. Bei all dem handelt es sich um menschliche Abgründe. Vielleicht sollten wir wieder Salman Rushdie oder Michail Bulgakow lesen; satanische Verse und faustische Irrfahrten sind wirksam gegen Verblendung. Es gälte dann nur noch zu entscheiden, ob die Hölle die Anderen (J.-P. Sartre) oder sie in uns zu finden sei/en (T. S. Eliot).

Lassen wir die Transzendenz aus dem Spiel. Jeder Stein sagt, Gott ist fern! (F. G. Lorca). Santé!